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[26 VIII. Kapitel. Zeitrechnung der Juden.]

§ 142. Zählung der Jahre. Besondere Jahresarten.

Einen festen Ausgangspunkt, von welchem an die Folge der Jahre hätte gezählt werden können, treffen wir in der ersten Periode der jüdischen Zeitrechnung noch nicht. Die anfängliche Chrono­logisierung der Jahre war diejenige, welche wir bei den meisten, mit der Zeit­rechnung noch im Entwickelungsstadium befindlichen Völkern an­gewendet sehen: die Anknüpfung der Jahre an Kriege, Naturereignisse, Bauten u. dgl. Reste solcher Jahrzählungen finden sich noch bei den Propheten3. Hierher gehört auch die Zählung nach Geschlechtern in der Genesis. Späterhin, noch in der vorexilischen Zeit, bildete sich der Gebrauch, nach Königsjahren d.h. nach den Regierungs­jahren der Könige von Juda und Israel zu rechnen, wovon sich zahlreiche Beispiele in den Büchern der Könige und der Chronik vorfinden.


3) Z. B. Jesaia VI 1: Im Todesjahr des Königs Uzia, da sah ich den Herrn sitzend auf hohem, ragendem Throne. — XX 1: In dem Jahre, da der Tartan (Feldherr) nach Asdod kam, indem ihn Sargon, der König von Assur sandte. — XIV 28: Im Todesjahre des Königs Ahas war dies Orakel .... Amos I 1: Worte des Amos in den Tagen Uzias, Jebobeams ... zwei Jahre vor dem Erdbeben.

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Jedoch werden die Königsjahre nicht vom Tage des Regierungsantritts gezählt, sondern erscheinen bereits auf das Kalenderjahr reduziert, also in der Art, wie es beim Kanon des Ptolemäus mit den Regierungs­jahren der Fall ist. Im Gegensatze zu dem letzteren scheint man aber nicht vordatiert, sondern nachdatiert zu haben, d. h. man rechnete nicht das Jahr der Thronbesteigung als erstes Jahr des Königs, sondern erst das folgende; es bildete daher das Jahr der Thronbesteigung das letzte Regierungsjahr des vorherigen Königs. Gewißheit über diese Reduktion läßt sich nicht erlangen. Ebenso unsicher bleibt, ob als Anfang der reduzierten Königsjahre der Herbst oder der Frühling angenommen worden ist; einige Stellen sprechen für den Herbst, andere, wie jene bei Jeremia und in den Königsbüchern, welche Gleichungen zwischen den Jahren judaischer und babylonischer Könige geben, für das Frühjahr; letztere Art Rechnung geschieht vielleicht nach dem Vorbilde der Baby­lonier, welche ihre Jahre vom Frühling aus zählten. Neben der Rechnung nach den Jahren der Könige kommen wenig andere vor, wie etwa jene vom Auszuge Israels aus Ägypten1 und von der Errichtung des ersten Tempels2. Zählungen nach einer eigentlichen Ära finden wir erst in der zweiten Periode der jüdischen Zeitrechnung.

In den Schriften des Alten Testaments werden noch einige be­sondere Arten von Jahren erwähnt: das Jahr der Freilassung, das Erlaßjahr, das Sabbatjahr und das Jobeljahr. Die beiden ersteren, das Jahr der Freilassung und das Erlaßjahr, sind beide siebenjährige Zeitkreise, durch welche nationalökonomische Ver­hältnisse des Volkes geordnet werden sollen. Das Jahr der Frei­lassung wird im ersten Kodex erwähnt, sowie später im Deuteronomion, bei Jeremia und Ezechiel3, und bezieht sich auf das Freigeben der jüdischen Sklaven in jedem siebenten Jahre des Dienstverhältnisses.


1) I Kön. VI 1: Im 480. Jahre nach dem Auszug Israels aus dem Ägypterland, im 4. Jahre im Monat Siw, dem 2. Monat, der Regierung Salomos über Israel, da baute Jahve den Tempel.

2) I Kön. IX 10: Nach Ablauf der 20 Jahre, während welcher Salomo an den beiden Bauwerken, dem Tempel Jahves und dem Palast, gebaut hatte ...

3) Exod. XXI 2: Wenn du einen hebräischen Sklaven kaufst, so soll er dir 6 Jahre lang dienen, aber im siebenten soll er frei ausgehen, ohne daß er Entgelt zu zahlen hätte. — Deuteron. XV 12—18: Wenn sich dein Bruder, ein Hebräer oder eine Hebräerin, dir verkauft, so mag er dir sechs Jahre dienen, aber im siebenten Jahr entlasse ihn frei von dir. — Jeremia XXXIV 13: Ich habe einen Bund gemacht mit euren Vätern zur Zeit, als ich sie aus Ägypten führte, auf folgende Bedingung. 14: Im 7. Jahre sollt ihr entlassen ein jeder seinen hebräischen Volksgenossen, der sich dir verkauft und dir 6 Jahre gedient hat, und du sollst ihn frei von dir lassen. — Ezechiel XLVI 17: Wenn der Fürst eine Grabe von seinem Erbbesitze einem seiner Diener gibt, so soll sie ihm (nur) bis zum Jahre der Freilassung gehören, dann aber soll sie zurückfallen an den Fürsten.

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Diese gesetzliche Vorschrift tritt nach dem Exil zurück und erscheint erst später wieder, und zwar in Verbindung mit dem Jobeljahre. Einen ähnlichen Zweck verfolgt das Erlaßjahr: es soll der Verarmung des Volkes steuern und sucht diesen Zweck dadurch zu erreichen, daß es alle 7 Jahre zu einem Nachlaß der Schulden seitens der Gläubiger an die Schuldner verpflichten will1. Das Erlaßjahr ist alt, scheint sich aber nicht viel über die Zeit des Exils erhalten zu haben und ist wie das Jahr der Freilassung in die Jobelperiode übergegangen.

Das Sabbatjahr, eine sehr alte gesetzliche Bestimmung, war eine siebenjährige Periode, die aus der Über­tragung der Sabbatheiligung auf die fruchtspendende Natur hervorging. Es sollte dem Ackerbau, der in Kanaan anfänglich noch nicht in genügender Aus­dehnung und wahr­scheinlich nicht rationell betrieben wurde, eine Unter­stützung sein, indem angeordnet wurde, daß der bewirtschaftete Boden in jedem siebenten Jahre unbenutzt, brach liegen gelassen werden sollte, um auch der Natur ein Ruhejahr zu gewähren2. Das Sabbatjahr war ursprünglich wahrscheinlich so gemeint, daß man es nicht gleichzeitig im ganzen Lande, sondern abwechselnd in einzelnen Teilen handhaben sollte, da man sonst die Gefahr einer Hungersnot herauf­beschworen hätte. Die Vorschrift wurde aber nicht strenge gehalten, zur Zeit des Jeremia scheint sie schon seit einigen Jahrhunderten nicht beobachtet worden zu sein. Erst in nachexilischer Zeit, in welcher vermutlich die Schlußredaktion des Pentateuchs vollzogen wurde, kommt die Be­stimmung wieder zum Vorschein (s. die unten angeführte Stelle Levit. XXV 3), wird aber jetzt für das ganze Land vorgeschrieben. Damit wurde aus der ursprünglich wohltätigen Absicht ein drückendes Gesetz, das bisweilen unangenehme Folgen zeitigte. Dennoch hat


1) Deuteron. XVI: Nach je sieben Jahren sollst du einen Erlaß gewähren. 2: Erlassen soll jeder Gläubiger sein Handdarlehen an seinen Nächsten ... 9: Hüte dich, daß in deinem Herzen nicht der nichtswürdige Gedanke aufkommt, das 7. Jahr, das Erlaßjahr nahet, und dein Auge dann scheel auf deinen armen Bruder blicke und du ihm nichts gibst ... 11: Öffne deine Hand für deinen elenden und armen Bruder in deinem Lande. — XXXI 10: Moses gebot ihnen: Nach je 7 Jahren zur Zeit des Erlaßjahres, am Laubhüttenfest .... soll dies Gesetz vor ganz Israel vorgelesen werden .... 13: Auch ihre Kinder sollen es hören. — Nehemia X 32: ... daß sie während des siebenten Jahrs das Land un­bebaut liegen ließen, und daß wir jede Pfandforderung (in diesem Jahre) fallen ließen.

2) Exod. XXIII 10: Sechs Jahre hindurch sollst du dein Land besäen und seinen Ertrag einernten, 11: aber im 7. Jahre sollst du es brach liegen lassen und es preisgeben, damit sich die Armen unter deinem Volke davon ernähren, und was sie übrig lassen, mögen die wilden Tiere fressen. — Levit. XXV 3: Sechs Jahre sollst du dein Feld besäen und sechs Jahre deinen Weinberg beschneiden und den Ertrag einbringen, 4: aber im 7. Jahre soll das Land eine vollkommene Ruhezeit halten.

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man an der Beobachtung der Sabbatjahre in der nachexilischen Zeit, wenn auch mit verschiedenen Unterbrechungen, festzuhalten ver­sucht, und es lassen sich tatsächlich mehrere solche Sabbatjahre historisch nachweisen. Da diese Jahre in die zweite Periode der jüdischen Zeitrechnung fallen, komme ich in § 147 auf die Sabbat­jahre zurück.

Das Jobeljahr hat seine Entstehung in den vorerwähnten Jahresarten zu suchen. Die Erlaßjahre, die Jahre der Freilassung und die Sabbatjahre verfielen zum Teil mit der Zeit und wurden nicht immer beobachtet. Da nun nach dem Exil eine Neugestaltung des jüdischen Staatslebens und durch Esra und Nehemia eine Kodifikation und Reform der alten Gesetzgebung vorgenommen wurde, dachte man auch daran, die Beobachtung jener alten Jahre zu erleichtern; aus diesem Bestreben ging eine fünfzigjährige Periode hervor, die Jobelperiode. Demge­mäß stellt das Jobeljahr eine Vereinigung der alten gesetzlichen Bestim­mungen über den Erlaß, die Freiheit der Sklaven und die Ruhe des Ackers vor. In jedem 50. Jahr soll der Acker brach liegen gelassen werden. „Jeder als Sklave verkaufte Hebräer soll zu seiner Familie, jedes veräußerte Grundstück zu seinem Urbesitzer zurück­kehren. Überhaupt sollen Äcker, Gärten, Häuser in offenen Städten nicht für die Dauer verfallen, sondern nur zeitweise bis zum Jobeljahre verkauft werden, denn der Boden gehört nicht den Besitzern, sondern Gott. Auch innerhalb einer Jobelperiode darf der Eigentümer oder Verwandte die veräußerten Grundstücke auslösen. Innerhalb einer befestigten Stadt kann ein Haus nur innerhalb eines Jahres ausgelöst werden, denn die Städte gehören dem Lande usw.“1. Wir finden also das Jobeljahr in der späteren Priesterschrift vor2; es führt den Namen יובל (jabal) Halljahr, weil es im Herbste des 50. Jahres durch Stöße in das Horn (šofar) dem Volke eröffnet wurde, und heißt auch das Freiheitsjahr (Ezechiel XLVI 17), da es


1) Grätz, Geschichte d. Juden II, 1. Hälfte, 1875, S. 199.

2) Levit. XXV 8: Sodann sollst du dir 7 Siebente von Jahren, d. h. sieben Jahre siebenmal, abzählen, so daß dir die Zeit der sieben Jahrsiebente 49 Jahre beträgt, 9: und sollst die Lämatrompeten im 7. Monate am 10. Tage dieses Monats erschallen lassen .... 10: und ihr sollt dann das 50. Jahr heiligen und einen Erlaß im Lande für alle seine Bewohner ausrufen lassen; ein Jobeljahr soll es für euch sein, und ein Jeder soll darin wieder zu seinem Besitz zurück­gelangen .... 11: Ihr sollt in ihm nicht säen und nicht ernten ... 15: Unter Berechnung der Zahl der Jahre (die) seit dem (letzten) Jobeljahr (verflossen sind) sollst du deinem Nächsten abkaufen, und nach Maßgabe der (bis zum Jobeljahr noch ausstehenden) Ertragsjahre soll er dir verkaufen .... 17: und ihr sollt dabei einander nicht drücken, du sollst dich fürchten vor deinem Gott ... [Bis zum Schluß (55) werden weiter die Rechtsbestimmungen über die Erwerbung von Grund und Boden, Haus und Gut usw. auseinandergesetzt.]

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die Wiederherstellung des verkauften oder verpfändeten Besitzes und die Freiheit der Sklaven brachte. — Es ist sehr auffällig, daß das Jobeljahr alle 50 Jahre in der Weise, wie es den eben angeführten Bestimmungen entspräche, nicht gefeiert worden ist, denn in der ganzen Zeit nach dem Exil läßt sich kein Nachweis für diese Feier erbringen. Nur Levit. (s. S. vorher und Numeri XXXVI 4) nennen das Jobeljahr; im ersten Kodex und im Deuteron. wird es aber nicht erwähnt, und auch die Propheten kennen es vermutlich nicht, da Jesaia und Micha1 gegen die unrecht­mäßige Anhäufung von Reichtümern in einzelnen Händen predigen, was sie nicht nötig gehabt hätten, wenn das Jobel­jahr zu ihrer Zeit wirklich beobachtet worden wäre. Unter den viel späteren Quellen nennen das Jobeljahr das Buch der Jubiläen, Philo und Josephus, aber diese stützen sich nur auf die Stelle im Leviticus. Und doch hätte das Jobeljahr, wenn es gehalten worden wäre, irgendwo vermerkt werden müssen, da es eine Aufsehen erregende Feier vorstellte. Hierzu kommt noch das Bedenken, daß die 50jährige Jobelperiode mit der 7jährigen des Sabbat­jahrs kombiniert wird, ob­wohl beide Zyklen in ganz verschiedenen Jahren ablaufen würden, die Jobelperiode im 50., 100., 150. ... Jahre, das Sabbatjahr im 7., 14., 21. .. 49., 56., 63. ... Jahre. Es werden also im Leviticus zwei verschiedene Perioden unter eine gemeinsame Gesetzes­vorschrift zu bringen versucht, obwohl sie sich bei der Ausführung wider­sprechen mußten. Anderseits ist recht sicher, daß das Sabbatjahr bald nach dem Exil im Judentum wieder eingeführt und auch gehalten worden ist, während die Feier des Jobeljahrs nicht nachge­wiesen werden kann. Wie die Verbindung des Sabbatjahrs mit dem Jobeljahre in dem Priesterkodex zustande gekommen ist, weiß man nicht. Wellhausen vermutet, daß die Gesetzes­sammlung Levit. XVII—XXVI ehemals nur die Bestimmung über das Sabbatjahr enthalten hat und daß das Jobeljahr später darin interpoliert worden ist. Eine solche Verbindung alter und neuer Gesetze kann in der Zeit nach Esra von jenen versucht worden sein, welche den Priesterkodex zuletzt bearbeitet haben. Daß diese Verbindung späten Ursprungs sein muß, sieht man schon daraus, daß die neue Bestimmung auf eine sehr wesentliche Erleichterung der Lasten, die dem Volke durch die genaue Beobachtung des Sabbatjahrs erwachsen waren, abzielt.

Es ist oben auf eine Schwierigkeit hingedeutet worden, die in der Zählung der Jahre beider Perioden liegt. Nimmt man nach dem


1) Jesaia V 8: Wehe denen, die Haus an Haus rücken, Feld an Feld reihen, bis kein Raum mehr ist — und ihr allein behauset seid inmitten des Landes ...Micha II 2: Wehe denen, welche die Felder begehren und sie rauben, Häuser und solche nehmen, die einen Mann und sein Haus, einen Menschen und sein Erbe vergewaltigen.

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Wortlaute von Levit. XXV 10 die Länge der Jobelperiode zu 50 Jahren an, wie es sämtliche jüdische Autoren und viele christliche tun, so ist das 49. einer solchen Periode das 7. Sabbatjahr, das 50. Jahr das Jobeljahr und das 51. das erste Jahr des nächsten Sabbatjahr-Zyklus, das 99. Jahr wieder das 49. dieses Sabbatjahr-Zyklus, das 100. das neue Jobeljahr usw. Es tritt also, wie man sieht, eine Unter­brechung der regelmäßigen Folge in der Reihe der Sabbatjahre ein. Historisch steht aber durch die Intervalle tatsächlich gefeierter Sabbat­jahre fest, daß die Siebenjahrreihe des Sabbatjahr-Zyklus nicht unter­brochen worden ist. Außerdem würde man, falls die eben erwähnte Anordnung der Jahre beobachtet worden wäre, in zwei aufein­ander folgenden Jahren, dem 49. und 50., dem 99. und 100. usw. die Äcker brach haben liegen lassen müssen, um den Begriffen „Ruhe­jahre“ zu genügen, die sowohl im Sabbatjahre wie im Jobeljahre liegen. Die letztere Forderung würde das Jobel­jahr in das Gegenteil von dem verkehrt haben, was die Gesetzgeber beab­sichtigten: in eine drückende Bestimmung statt in die einer Erleichterung. Die alten Chrono­logen haben deshalb nach Auswegen gesucht, um beiden Perioden zugleich mit einer Erklärung Genüge zu tun. R. Jehuda (2. Hälfte des 2. Jahrh.) nahm an, die Dauer der Jobelperiode sei als nur 49jährig zu verstehen; dann unterbreche das Jobeljahr die Regel­mäßigkeit der Sabbatjahrreihe nicht. Es wäre nämlich das 50. Jahr, das Jobeljahr, zugleich das erste des folgenden Jobeljahr -Zyklus; dadurch bleiben das 49., 56., 63. ... 98. Jahr Sabbatjahre. Derselben Ansicht waren die Gaonim1. Allein hierdurch wurde die Schwierigkeit, zwei einander folgende Brachjahre gelten lassen zu müssen, nicht beseitigt. Scaliger, Petavius, Des Vignoles u. a. nahmen daher zwar ebenfalls 49 Jahre als Länge der Jobel­periode an, aber sie ließen das letze Sabbatjahr mit dem Jobeljahre zusammen­fallen: das 49. Jahr wäre Sabbatjahr und Jobeljahr, das 56., 63., 70. ... wären Sabbatjahre, das 98. Jahr wiederum Sabbat- und Jobeljahr zugleich. Das Jobeljahr würde sich also von den anderen 6 Sabbatjahren eines Zyklus nur durch seine besondere Festlich­keit unterschieden haben2. Um die im Hinblick auf den Wortlaut der Levitikusstelle immerhin be­denkliche Annahme einer 49jährigen Periode zu stützen, hat Zucker-


1) Gaonim waren die Vorsteher jüdischer Schulen; sie lebten in der Zeit nach der Redaktion des Talmud.

2) Ewald, Altertümer d. Volk. Isr., S. 496, nimmt an, daß die erste Hälfte des ersten Jahrs der 50jährigen Periode nicht mitgezählt wurde und ebenso nicht die zweite Hälfte des letzten (50.) Jahres, wenn die Reihe der Sabbat- und Jobel­jahre zu bestimmen war. Die Grenze des Jobeljahrs bildete also nicht das mit dem Frühling anfangende 50., sondern die letzte Hälfte des 49. und die erste des 50. Jahrs, was man im gewöhnlichen immerhin das 50. nennen könne.

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mann dieselbe als eine wichtige astronomische Gleichung angesehen; es sind nämlich 49 tropische Sonnenjahre gleich 606 synodischen Mondmonaten bis auf eine Differenz von etwa 1 13 Tagen (49 Sonnen­jahre = 50 Mondjahre + 6 Mond­monate 1 13 Tage). Man habe daraus ersehen können, daß nach je 49 um die Saatzeit anfangenden Sonnen­jahren das Ende des halben Mondjahrs um 1 13 Tage gegen den Schluß des Sonnenjahrs zurückblieb; wenn die Zeit der 50. Saat herankam, konnte man auf die Ausgleichung der Sonnen- und Mond­bewegung aufmerksam werden1. In ähnlicher Weise sieht Frank in der 49jährigen Jobelperiode einen Schaltzyklus, in welchen man 18 Monate, und zwar einen 30tägigen Monat alle 2 oder 3 Jahre, ein­geschaltet habe. Aber diese astronomischen Hypothesen haben keinen Halt in der alten Hebräerzeit; wir wissen jetzt sicher, daß die Juden nicht nur in der ersten Periode ihrer Zeitrechnung, sondern auch noch in der zweiten keine reguläre Schaltung gekannt haben und daß sie nur nach der Empirie vorgegangen sind (s. § 145), also hat es keinen Sinn, ihnen eine so genaue Kenntnis des Mond- und Sonnenjahrs zu­zuschreiben, wie sie die obigen Rechnungen erfordern würden.


1) Auf dieses astronomische Verhältnis weist in neuester Zeit auch Schiaparelli hin (jedenfalls ohne Zuckermanns Hypothese zu kennen), bemerkt aber ebenfalls, daß eine Kenntnis des 49jährigen Zyklus bei den Juden keinesfalls vorauszusetzen sei.

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