Zu den Elementen der römischen Zeitrechnung gehören auch die Begriffe Saecula und Lustra.
Beim Saeculum1 kommt zeitrechnerisch nur das juristische Saeculum in Betracht, d. h. die feste aus der Beobachtung der Durchschnittsdauer des menschlichen Lebens abgeleitete Zahl der Jahre. Der Begriff Saeculum wird bei den römischen Autoren in einem zweifachen Sinne gebraucht, als Ausdruck für eine Reihe von 100 Jahren und als solcher für eine Reihe von 110 Jahren; beide Begriffe definiert schon 2 Die erstere Fassung des Saeculums als einer Reihe von hundert Jahren, die längste Lebensdauer des Menschen vorstellend, ist die gewöhnliche und ältere bei den Römern gewesen; auch die römischen Juristen bezeichneten in dem letzteren Sinne das Saeculum. (De ling. lat. VI 11 [Spengel]) drückt sich so aus: Saeculum spatium annorum centum vocarunt, dictum a sene, quod longissimum spatium senescendorum hominum id putarunt. Zum Nachweise der Auffassung des Saeculums müssen die saecularen Spiele dienen, welche von den Römern gefeiert worden sind. Solche Saecularspiele waren die terentinischen Spiele oder ludi saeculares3, welche ein Ahnherr der Valerier zum Andenken an die Genesung seiner drei Söhne und als Dank für die Gottheiten Dis und Proserpina eingesetzt hatte. Die erste staatliche Feier dieser Spiele
1) Abzuleiten von saepe; saeculum also etwa eine Reihe oder Kette von Jahren.
2) De die nat. XVII 13: Nostri maiores, quod natura saeculum (die längste Lebensdauer der Menschen) quantum esset, exploratum non habebant, civile ad certum modulum annorum centum statuerunt .... 9: Contra ut decimo centesimoque anno repetantur, tam commentarii quindecim virorum, quam Divi Augusti edicta testari videntur, adeo ut Horatius Flaccus in carmine, quod saecularibus ludis cantatum est, id tempus hoc modo designaverit: Certus undenos decies per annos Orbis ut cantus referatque ludos, Ter die clara, totiensque grata Nocte frequentes.
3) Ludi saeculares Ditis patris oder ludi Terentini Diti patri et Proserpinae; die gewöhnliche Bezeichnung ist ludi saeculares. Die Spiele heißen terentinische nach dem terentinischen Felde, wo sie abgehalten wurden.
fand 505 varr. statt1; demnach mußten sich auch Feiern in den Jahren 305, 405, 605 vorfinden. Allerdings werden solche von
, und für die Jahre 305, 406, 605 und außerdem für 245 ( , , , ) oder 250 varr. ( ) angegeben, indessen sind die ersteren drei Angaben jüngere Fälschungen, und die letztgenannten Zahlen beruhen auf Versehen2. Dagegen werden von Piso, und Saecularspiele unter 608 varr. gemeldet. Über diese Abweichung (von 608 gegen 605) und jene von 406 (statt 405) sind verschiedene Erklärungen (von , und ) gegeben worden, auf welche ich verweisen muß. Wichtiger ist es zu bemerken, daß diese Saecularreihe nirgends eine Beziehung auf die Gründungsepoche Roms zeigt.Die zweite schon oben erwähnte Rechnung des Saeculums zu 110 Jahren kommt zuerst in einer von Quindecemviri sacrorum (denen die Erklärung und Bewahrung der sibyllinischen Bücher anvertraut war) Saecularfeste für die Jahre 298, 408, 518 und 628 varr. angegeben4. Nun veranstaltete (auf dessen Befehl die Verse des sibyllinischen Orakels von den Quindecemvirn
711 (43 v. Chr.) verfaßten Schrift und in der wenig später entstandenen vierten Ekloge s vor3. Dort wird von einer Palingenesie der Welt gesprochen, einer Erneuerung des Zeitalters nach je 440 Jahren oder 4 Jahrhunderten: nach dieser Zeit fände eine Wiedervereinigung der abgeschiedenen Geister mit ihren Körpern statt, die Gestirne fingen ihren Lauf von neuem an u. dgl. Die römischen Priester, Philosophen und Literaten des 1. Jahrh. v. Chr. kannten diese mit der mystischen Zahlensymbolik zusammenhängende (wahrscheinlich griechische) Lehre und waren von ihr bei der Fassung des Saeculumbegriffes beeinflußt. Demgemäß finden sich in den Kommentarien der1) Cum multa portenta fierent, et murus ac turris, quae sunt inter portam Collinam et Esquilinam, de caelo tacta essent, et ideo libros Sibyllinos X viri adissent, renuntiarunt, ut Diti patri et Proserpinae ludi Tarentini in campo Martio fierent tribus noctibus, et hostiae furvae immolarentur, utique ludi centesimo quoque anno fierent. — Vgl. Schol. Cruq. zu Horat. carm. saec., epit. 49, de civ. dei III 18.
bei XVII 8:2) Nach
, R. Chr. 181.3) De gente populi Romani (bei Genethliaci quidam scripserunt, esse in renascendis hominibus quam appellant παλιγγενεσίαν Graeci; hac scripserunt confici in annis numero quadringentis quadraginta, ut idem corpus et eadem anima, quae fuerint coniuncta in homine aliquando, eadem rursus redeant in coniunctionem. — . eclog. VI 4: Ultima Cumaei venit iam carminis aetas; magnus ab integre saeclorum nascitur ordo
de civit. dei XXII 28):4) Diese Jahre sind bei
XVII 10. 11 angesetzt, die Spiele von 518 varr. auch in den kapitolinischen Fasten.abgeschrieben wurden) im Jahre 737 varr. berühmte Saecularspiele1. Die von den Quindecemvirn für die früheren genannten Zeiten angemerkten Jahreszahlen sollten offenbar nur zur Motivierung der augusteischen Saecularfeier dienen, da das Intervall von 298—738 die obenbemerkte Periode von 440 Jahren in sich faßt; die Zahlen 298, 408, 518, 628 sind also eine Erfindung und erst zu S. 200) statt in den obigen Saecularjahren 298, wo M. Valerius M. Volusi n. Lactuca Maximus consul, und 498, wo M. Valerius Corvus cons. iterum war. — An die augusteische Saecularfeier von 737 knüpfen mehrere spätere mit der Periode von 110 Jahren an. So die (aus Versehen?) 841 (statt 847) von veranstaltete Feier, die Spiele des 957, der von bedauerte Ausfall der Feier für 10672; da auch eine Saecularfeier von für 1057 projektiert war (aber nicht ausgeführt wurde), so verraten die Zahlen allerdings ein gewisses Schwanken zwischen dem 100- und 110jährigen Saecularbegriffe. — Einige Saecularfeste , die in 100jährigen Intervallen auf die Stadtgründung Rücksicht nehmen, treten erst in der späteren Kaiserzeit auf. Die erste mit dem Kaiser , der das Jahr 800 varr. durch Spiele feierte3. feierte das Jahr 900 der Stadt (varr. oder kapit.?) mit glänzenden Festen5, doch wurde die Feier nicht ausdrücklich als eine saeculare bezeichnet. Das miliarium saeculum (auf den Münzen) der beiden im Jahre 1000 varr. war die letzte Saecularfeier der Gründung Roms 5, denn das nächste Saecularjahr 1110 varr. ging ohne jede Feierlichkeit vorüber6.
Zeit in den Akten des Quindecimviral-Kollegiums nachgetragen. Wahrscheinlich glaubte man, daß 737 eine Palingenesie bevorstünde; die Spiele hätten 738 stattfinden sollen, wurden aber schon in das letzte Jahr des alten Saeculums 628—737 gesetzt. — Auch diese Saecularreihe hat, wie die 100 jährige keinen Zusammenhang mit der Gründungszeit Roms; dagegen finden Beziehungen auf Konsulate des Valeriergeschlechtes (s. obenSchließlich darf ein anderer, angeblich saecularer Gebrauch, die kapitolinische Nageleinschlagung hier nicht übergangen
1)
. Oct. 31; II 4; XVII 11; LIV 18.2)
XVII 11; II 4, 7; ann. XI, 11; 4, 1, 7; . Dom. 4; 3. 8; 6, 383; 7, 185.3)
annal. XI 41; XVII 11; . Claudius 21.4)
de Caesaribus c. 15.5)
de Caes. c. 28; IX 3; vers. Armen. u. Hieronym. zu Ol. 256. 3; , Stadtchronik v. 354 p. 647 (Abhdlgn. d. K. sächs. Ges. d. W. II, 1850)6)
de Caes. c. 28.werden, und dies umso weniger, als dieser Gebrauch lange als eine Stütze für die Theorie der römischen Jahresentwicklung angesehen worden ist. Idibus September (13. September jul.) einen Nagel habe einschlagen müssen. Diese Zeremonie, an den Wänden von Tempeln alljährlich einen Nagel einzuschlagen (wahrscheinlich um die Zahl der ablaufenden Naturjahre zu fixieren), schreibt sich von den Etruskern her. Bei den Römern vollzog sie im 1. Jahre der Republik (245 u. c.) am Dedikationstage des Tempels der Konsul . Auch fernerhin übten die Konsuln alljährlich den Brauch, doch wurden späterhin die mit einem maius imperium ausgestatteten Diktatoren dafür bestellt. Nach wäre die Zeremonie eine Zeit hindurch vergessen oder nicht ausgeübt worden, bis man sich 391 u. c. bei einer durch zwei Jahre wütenden Pest erinnerte, daß früher einmal infolge einer Nagelschlagung eine Pest aufgehört habe. Von da ab wurde zur Ausführung der heilbringenden Zeremonie ein dictator clavi figendi causa ernannt. Die Diktatur für die Nageleinschlagung wurde nach 2 in den Jahren 423 und 441 u. c. wiederum, und nach den kapitolinischen Fasten auch 491 u. c. eingesetzt. bezweifelte die Richtigkeit dieser Darstellung bei : die alte Verordnung könne nicht schon im Jahre 391 u. c. vergessen gewesen sein; auch sei es nicht glaublich, daß man eine Zeitlang jedes Jahr einen Diktator ernannt haben werde; und schließlich, die Zeremonie könne nicht in willkürlichen Intervallen oder zu beliebiger Zeit ausgeübt worden sein. Da sich nun ein Jahrhundert vor der Nageleinschlagung 391 u. c, nämlich unter dem Jahre 291 u. c. bei 3 die Nachricht von einer Pest vorfindet, so glaubte hierin einen Hinweis auf eine saeculare Deutung der Zeremonie zu sehen; mit dem Erlöschen der Pest 291 u. c. habe die römische Gemeinde gelobt,
berichtet nach einer Überlieferung des 1 zum Jahre 391 u. c., daß nach einer alten Satzung der oberste Beamte an der Wand des kapitolinischen Jupitertempels alljährlich am Datum1) Repetitum ex seniorum memoria dicitur, pestilentiam quondam clavo ab dictatore fixo sedatam. ea religione adductus senatus dictatorem clavi figendi causa dici iussit .... Lex vetusta est, priscis litteris verbisque scripta, ut, qui praetor maximus sit, idibus Sept. clavum pangat; fixa fuit dextro lateri aedis Iovis optimi maximi, ex qua parte Minervae templum est. eum clavum, quia rarae per ea tempora litterae erant, notam numeri annorum fuisse ferunt, eoque Minervae templo dicatam legem, quia numerus Minervae inventum sit .... Horatius consul ea lege templum Iovis optimi maximi dedicavit anno post reges exactos; a consulibus postea ad dictatores, quia malus Imperium erat, sollemne clavifigendi translatum est. intermisso deinde more digna etiam per se visa res, propter quam dictator crearetur.
VII 3, 5 f.:2)
VIII 18, 2 und IX 28, 6.3) III 6.
in jedem folgenden 100. Jahre die Zeremonie der Nageleinschlagung ausführen zu lassen; die Jahre 291, 391, 491 seien dafür Beweis. § 182). Ferner will die oben angegebenen Nageleinschlagungsjahre 423 und 441 u. c., die seiner Saecularhypothese widersprechen, für nicht hinreichend beglaubigt halten. Von , und sind deshalb gegen diese Theorie eine Reihe von Einwendungen erhoben worden, und man ist jetzt wohl ziemlich allgemein der Ansicht, daß die Zeremonie der Nageleinschlagung keinen saecularen Charakter hat, sondern ehemals alljährlich erfolgt ist. Die Diktatoren dagegen wurden nicht jährlich, sondern nur in besonderen Fällen, wo der Staat von Unglück betroffen war, zur Vornahme der Zeremonie bestellt. Daß 391 und 491 u. c. nach hundertjähriger Zwischenzeit, Diktaturen dafür folgen, ist kaum mehr als Zufall zu nennen.
zieht hieraus Schlüsse über die Anarchiejahre und Diktatorenjahre, insbesonders aber die Folgerung, daß das Intervall der Amtsjahre von 291—491 zweihundert Kalenderjahren entspricht; zweifellos haben aber in diesem Intervall beträchtliche Verkürzungen der Amtsjahre stattgefunden (s.§ 181), bezweifelt1, daß zwischen den Jahren 291, 391, 491 u. c. je hundert Sonnenjahre liegen könnten, und hat den Saecularcharakter dieser Jahresreihe (und also der kapitolinischen Nageleinschlagung) durch die Hypothese zu erhalten gesucht, daß diese Saecularjahre als reine Mondjahre (ohne Schaltung, also alle Jahreszeiten durchlaufend) zu verstehen seien. Da ein reines Mondjahr bei den Römern in allen Punkten der Überlieferung widerspricht, so können wir diesen rechnerischen Versuch ohne weiteres übergehen.
hat, ausgehend von seiner Theorie der römischen Jahresentwicklung (s.Noch schwankender als der Begriff Saeculum ist bei den Römern das Lustrum. Lustrum bedeutet Sühne oder Reinigung, nämlich das Reinigungsopfer am Ende einer Schatzungsperiode (Census) des Volkes, und da die Schätzungen von den Zensoren in gewissen Intervallen angeordnet wurden, auch die Anzahl Jahre, die von einem Zensus zum andern verflossen sind. Die zensorischen Verzeichnisse in den kapitolinischen Fasten, obwohl sie nicht vollständig erhalten geblieben sind, zeigen, daß das Lustralintervall an keine feste Bestimmung gebunden, sondern ziemlich willkürlich zwischen 4-, 6- und 7jährigen Fristen auf- und abschwankt2. Nach faßte das Lustrum in der älteren Zeit vier Jahre; erst mit den hannibalischen
1) R. Chr. I 235—242.
2) Die erhalten gebliebenen Lustrationsdaten sind [v. = varronisch, l. f. = lustrum [Fortsetzung der Fußnote]
Kriegen wurden die Schätzungen reorganisiert und von vier auf fünf Jahre erhöht, wie auch die Zensur ursprünglich keine fünfjährige, sondern nur eineinhalbjährige gewesen ist. Vom 3. Jahrh. v. Chr. ab werden also die Zensuren regelmäßig und fünfjährig, in der späteren Zeit der Republik treten wieder Unregelmäßigkeiten ein. Abgesehen von dieser Unstetigkeit, ist die Definition des Lustrums bei den Schriftstellern eine unsichere, da sie bald einen vierjährigen, bald einen fünfjährigen Zeitabschnitt damit meinen1; der Grund liegt zum Teil auch in der Eigentümlichkeit der lateinischen Sprache selbst, in welcher bei der Angabe von Zwischenzeiten mittels Ordnungszahlen bald der Endtermin der Zählung eingerechnet, bald ausgeschlossen wird (vgl. oben S. 200). — Da der Begriff des Lustrums als eine vierjährige Periode der ursprüngliche, ältere ist und sich Vergleichungen des Lustrums mit anderen ähnlichen Zeitintervallen bei den Schriftstellern finden, so haben und die Vermutung geäußert, ob nicht das „große Jahr“ der Römer, nämlich die vierjährige Schaltperiode, mit dem alten Lustrum in Verbindung zu bringen sei. Hierauf scheint besonders eine Stelle bei 2 hinzuweisen, wo erzählt wird, daß die vierjährige Periode nicht nur von den Griechen bei der Olympiadenrechnung, sondern auch von den
[Anfang der Fußnote] fecere; die Daten, welche Zweifeln unterliegen, sind hier weggelassen]:
u. c. | 280 | v. l. f. VIII | u. c. | 507 | v. l. f. XXXVIII | u. c. | 580 | v. l. f. LI |
361 | „ l. f. XVI | 520 | „ l. f. XL | 585 | „ l. f. LII | |||
391 | „ l. f. XX | 524 | „ l. f. XLI | 590 | „ l. f. LIII | |||
436 | „ l. f. XXV | 529 | „ l. f. XXXXII | 595 | „ l. f. LIIII | |||
442 | „ I. f. XXVI | 550 | „ l. f. XXXXV | 600 | „ l. f. LV | |||
447 | „ l. f. XXVII | 555 | „ l. f. XXXXVI | 607 | „ l. f. LVI | |||
460 | „ l. f. XXX | 560 | „ l. f. XXXXVII | 612 | „ l. f. LVII | |||
474 | „ l. f. XXXII | 565 | „ l. f. XXXXVIII | 618 | „ l. f. LVIII | |||
489 | „ l. f. XXXV | 570 | „ l. f. XXXX VIIII | 646 | „ l. f. LXIII | |||
502 | „ l. f. XXXVII | 575 | „ l. f. L |
Vierjährig waren z. B. die Lustra 520—523 (XL), 442—446 (XXVI), da das Diktatorjahr 445 nicht mitzählt, ferner nach XXVIII, XXXIII; das Lustrum XXVII war nur dreijährig.
1) maxima illa quinquennalis celebritas ludorum; hist. nat. II 47, 122. 130 gebraucht zweimal nacheinander lustrum für das julianische und für das eudoxische Quadriennium.
de orat. III 32 bezeichnet die olympischen Spiele als2) Idem tempus anni magni Romanis fuit, quod lustrum appellabant, ita quidem a Servio Tullio institutum, ut quinto quoque anno censu civium habito lustrum conderetur, sed non ita a posteris servatum .... nam cum inter primum a Ser. Tullio conditum lustrum et id quod ab imp. Vespasiano v. et T. Caesare III. cos. factum est, anni interfuerunt paulo minus DCL, lustra tamen per ea tempora non plura quam LXXII sunt facta et postea plane fieri desierunt. Rursus tamen annus idem magnus per Capitolinos agonas coeptus est diligentius servari, quorum agonum primus a Domitiano institutus fuit duodecimo eius et Servi Corneli Dolabellae consulatu.
. XVIII 13—15:Römern bei ihrem annus magnus, welches sie lustrum genannt hätten, verwendet worden sei, denn habe die Einrichtung getroffen, daß in jedem vierten Jahre ein Zensus zu halten und danach eine Reinigung des Volkes zu vollziehen sei; man habe aber dieses Gebot nicht gehörig beobachtet, bis man wieder unter den Kaisern darauf gekommen und seit wieder angefangen habe, den annus magnus bei den kapitolinischen Spielen (Agonen)1 zugrunde zu legen. Wie wir später sehen werden (§ 180), wurde das vorcäsarische römische Jahr, ein Lunisolarjahr, mit Hilfe einer vierjährigen Schaltung ausgeglichen, und wird von manchen als der Urheber dieser Schaltung betrachtet. basierte seine Kalenderreform gleichfalls auf einer vierjährigen Schaltung, allerdings mit anderem Ziele. Da dem eine Reihe Verbesserungen im römischen Staatswesen und, wie bei ersichtlich, auch die Einführung des (vierjährigen) Lustrums zugeschrieben wird, so liegt die Vermutung nahe, daß die julianische Schaltordnung gewissermaßen nur eine Nachbildung oder Restitution des servianischen Lustrums ist. meint, daß auch die Tatsache, daß die Pontifices die Schaltung s mißverstanden und eine Reihe von Jahren hindurch statt des vorgeschriebenen vierten Jahres schon jedes dritte Jahr zum Schaltjahr machten (s. § 189), durch die immer schwankend gewesene Definition des Lustrums zu erklären sei, daß man dieses bald als fünfjähriges Intervall (quinto quoque anno) bald ein vierjähriges (quarto quoque anno) ansah.
1) Die kapitolinischen Agonen wurden 86 n. Chr. von
eingerichtet und in jedem 3. Jahre der vierjährigen julianischen Schaltperiode gefeiert.