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[§ 175. Saecula und Lustra. 201]

§ 175. Saecula und Lustra.

Zu den Elementen der römischen Zeitrechnung gehören auch die Begriffe Saecula und Lustra.

Beim Saeculum1 kommt zeitrechnerisch nur das juristische Saeculum in Betracht, d. h. die feste aus der Beobachtung der Durchschnittsdauer des menschlichen Lebens abgeleitete Zahl der Jahre. Der Begriff Saeculum wird bei den römischen Autoren in einem zweifachen Sinne gebraucht, als Ausdruck für eine Reihe von 100 Jahren und als solcher für eine Reihe von 110 Jahren; beide Begriffe definiert schon Censorinus2 Die erstere Fassung des Saeculums als einer Reihe von hundert Jahren, die längste Lebens­dauer des Menschen vorstellend, ist die gewöhnliche und ältere bei den Römern gewesen; auch die römischen Juristen bezeichneten in dem letzteren Sinne das Saeculum. Varro (De ling. lat. VI 11 [Spengel]) drückt sich so aus: Saeculum spatium annorum centum vocarunt, dictum a sene, quod longissimum spatium senescendorum hominum id putarunt. Zum Nachweise der Auffassung des Saeculums müssen die saecularen Spiele dienen, welche von den Römern gefeiert worden sind. Solche Saecularspiele waren die terentinischen Spiele oder ludi saeculares3, welche ein Ahnherr der Valerier zum Andenken an die Genesung seiner drei Söhne und als Dank für die Gottheiten Dis und Proserpina eingesetzt hatte. Die erste staatliche Feier dieser Spiele


1) Abzuleiten von saepe; saeculum also etwa eine Reihe oder Kette von Jahren.

2) De die nat. XVII 13: Nostri maiores, quod natura saeculum (die längste Lebensdauer der Menschen) quantum esset, exploratum non habebant, civile ad certum modulum annorum centum statuerunt .... 9: Contra ut decimo centesimoque anno repetantur, tam commentarii quindecim virorum, quam Divi Augusti edicta testari videntur, adeo ut Horatius Flaccus in carmine, quod saecularibus ludis cantatum est, id tempus hoc modo designaverit: Certus undenos decies per annos Orbis ut cantus referatque ludos, Ter die clara, totiensque grata Nocte frequentes.

3) Ludi saeculares Ditis patris oder ludi Terentini Diti patri et Proserpinae; die gewöhnliche Bezeichnung ist ludi saeculares. Die Spiele heißen terentinische nach dem terentinischen Felde, wo sie abgehalten wurden.

[202 X. Kapitel. Zeitrechnung der Römer.]

fand 505 varr. statt1; demnach mußten sich auch Feiern in den Jahren 305, 405, 605 vorfinden. Allerdings werden solche von Varro, Valerius Antias und Livius für die Jahre 305, 406, 605 und außer­dem für 245 (Festus, Valerius Max., Censorin, Zosimus) oder 250 varr. (Plutarch) angegeben, indessen sind die ersteren drei Angaben jüngere Fälschungen, und die letztgenannten Zahlen beruhen auf Versehen2. Dagegen werden von Piso, Cn. Gellius und Cassius Hemina Saecularspiele unter 608 varr. gemeldet. Über diese Ab­weichung (von 608 gegen 605) und jene von 406 (statt 405) sind verschiedene Erklärungen (von Soltau, Holzapfel und Matzat) ge­geben worden, auf welche ich verweisen muß. Wichtiger ist es zu bemerken, daß diese Saecularreihe nirgends eine Beziehung auf die Gründungsepoche Roms zeigt.

Die zweite schon oben erwähnte Rechnung des Saeculums zu 110 Jahren kommt zuerst in einer von Varro 711 (43 v. Chr.) ver­faßten Schrift und in der wenig später entstandenen vierten Ekloge Virgils vor3. Dort wird von einer Palingenesie der Welt gesprochen, einer Erneuerung des Zeitalters nach je 440 Jahren oder 4 Jahr­hunderten: nach dieser Zeit fände eine Wiedervereinigung der abge­schiedenen Geister mit ihren Körpern statt, die Gestirne fingen ihren Lauf von neuem an u. dgl. Die römischen Priester, Philosophen und Literaten des 1. Jahrh. v. Chr. kannten diese mit der mystischen Zahlensymbolik zusammenhängende (wahrscheinlich griechische) Lehre und waren von ihr bei der Fassung des Saeculumbegriffes beeinflußt. Demgemäß finden sich in den Kommentarien der Quindecemviri sacrorum (denen die Erklärung und Bewahrung der sibyllinischen Bücher anvertraut war) Saecularfeste für die Jahre 298, 408, 518 und 628 varr. angegeben4. Nun veranstaltete Augustus (auf dessen Befehl die Verse des sibyllinischen Orakels von den Quindecemvirn


1) Varro bei Censor. XVII 8: Cum multa portenta fierent, et murus ac turris, quae sunt inter portam Collinam et Esquilinam, de caelo tacta essent, et ideo libros Sibyllinos X viri adissent, renuntiarunt, ut Diti patri et Proserpinae ludi Tarentini in campo Martio fierent tribus noctibus, et hostiae furvae immolarentur, utique ludi centesimo quoque anno fierent. — Vgl. Schol. Cruq. zu Horat. carm. saec., Livius epit. 49, Augustinus de civ. dei III 18.

2) Nach Th. Mommsen, R. Chr. 181.

3) De gente populi Romani (bei Augustinus de civit. dei XXII 28): Genethliaci quidam scripserunt, esse in renascendis hominibus quam appellant παλιγγενεσίαν Graeci; hac scripserunt confici in annis numero quadringentis quadraginta, ut idem corpus et eadem anima, quae fuerint coniuncta in homine aliquando, eadem rursus redeant in coniunctionem.Virgil. eclog. VI 4: Ultima Cumaei venit iam carminis aetas; magnus ab integre saeclorum nascitur ordo

4) Diese Jahre sind bei Censorin XVII 10. 11 angesetzt, die Spiele von 518 varr. auch in den kapitolinischen Fasten.

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abgeschrieben wurden) im Jahre 737 varr. berühmte Saecularspiele1. Die von den Quindecemvirn für die früheren genannten Zeiten ange­merkten Jahreszahlen sollten offenbar nur zur Motivierung der augusteischen Saecularfeier dienen, da das Intervall von 298—738 die oben­bemerkte Periode von 440 Jahren in sich faßt; die Zahlen 298, 408, 518, 628 sind also eine Erfindung und erst zu Augustus Zeit in den Akten des Quindecimviral-Kollegiums nachgetragen. Wahrscheinlich glaubte man, daß 737 eine Palingenesie bevorstünde; die Spiele hätten 738 stattfinden sollen, wurden aber schon in das letzte Jahr des alten Saeculums 628—737 gesetzt. — Auch diese Saecularreihe hat, wie die 100 jährige keinen Zusammen­hang mit der Gründungszeit Roms; dagegen finden Beziehungen auf Konsulate des Valeriergeschlechtes (s. oben S. 200) statt in den obigen Saecular­jahren 298, wo M. Valerius M. Volusi n. Lactuca Maximus consul, und 498, wo M. Valerius Corvus cons. iterum war. — An die augusteische Saecularfeier von 737 knüpfen mehrere spätere mit der Periode von 110 Jahren an. So die (aus Versehen?) 841 (statt 847) von Domitian veranstaltete Feier, die Spiele des Severus 957, der von Zosimus bedauerte Ausfall der Feier für 10672; da auch eine Saecularfeier von Maximian für 1057 projektiert war (aber nicht ausgeführt wurde), so verraten die Zahlen allerdings ein gewisses Schwanken zwischen dem 100- und 110jährigen Saecularbegriffe. — Einige Saecularfeste , die in 100jährigen Intervallen auf die Stadt­gründung Rücksicht nehmen, treten erst in der späteren Kaiserzeit auf. Die erste mit dem Kaiser Claudius, der das Jahr 800 varr. durch Spiele feierte3. Antoninus Pius feierte das Jahr 900 der Stadt (varr. oder kapit.?) mit glänzenden Festen5, doch wurde die Feier nicht ausdrücklich als eine saeculare bezeichnet. Das miliarium saeculum (auf den Münzen) der beiden Philippus im Jahre 1000 varr. war die letzte Saecularfeier der Gründung Roms 5, denn das nächste Saecularjahr 1110 varr. ging ohne jede Feierlichkeit vorüber6.

Schließlich darf ein anderer, angeblich saecularer Gebrauch, die kapitolinische Nageleinschlagung hier nicht übergangen


1) Sueton. Oct. 31; Zosimus II 4; Censorin XVII 11; Dio Cass. LIV 18.

2) Censorin XVII 11; Zosim. II 4, 7; Tacit. ann. XI, 11; Martial 4, 1, 7; Sueton. Dom. 4; Herodian. 3. 8; Eckhel 6, 383; 7, 185.

3) Tacitus annal. XI 41; Censorin XVII 11; Sueton. Claudius 21.

4) Aurel. Victor de Caesaribus c. 15.

5) Aur. Victor de Caes. c. 28; Eutrop. IX 3; Eusebius vers. Armen. u. Hieronym. zu Ol. 256. 3; Mommsen, Stadtchronik v. 354 p. 647 (Abhdlgn. d. K. sächs. Ges. d. W. II, 1850)

6) Aur. Victor de Caes. c. 28.

[204 X. Kapitel. Zeitrechnung der Römer.]

werden, und dies umso weniger, als dieser Gebrauch lange als eine Stütze für die Theorie der römischen Jahresentwicklung an­gesehen worden ist. Livius berichtet nach einer Überlieferung des Cincius1 zum Jahre 391 u. c., daß nach einer alten Satzung der oberste Beamte an der Wand des kapitolinischen Jupitertempels all­jährlich am Datum Idibus September (13. September jul.) einen Nagel habe einschlagen müssen. Diese Zeremonie, an den Wänden von Tempeln alljährlich einen Nagel einzuschlagen (wahrscheinlich um die Zahl der ablaufenden Naturjahre zu fixieren), schreibt sich von den Etruskern her. Bei den Römern vollzog sie im 1. Jahre der Republik (245 u. c.) am Dedikations­tage des Tempels der Konsul Horatius. Auch fernerhin übten die Konsuln alljährlich den Brauch, doch wurden späterhin die mit einem maius imperium ausgestatteten Diktatoren dafür bestellt. Nach Livius wäre die Zeremonie eine Zeit hindurch vergessen oder nicht ausgeübt worden, bis man sich 391 u. c. bei einer durch zwei Jahre wütenden Pest erinnerte, daß früher einmal infolge einer Nagelschlagung eine Pest aufgehört habe. Von da ab wurde zur Ausführung der heilbringenden Zeremonie ein dictator clavi figendi causa ernannt. Die Diktatur für die Nagel­einschlagung wurde nach Livius2 in den Jahren 423 und 441 u. c. wiederum, und nach den kapitolinischen Fasten auch 491 u. c. eingesetzt. Th. Mommsen bezweifelte die Richtigkeit dieser Darstellung bei Livius: die alte Verordnung könne nicht schon im Jahre 391 u. c. vergessen gewesen sein; auch sei es nicht glaublich, daß man eine Zeitlang jedes Jahr einen Diktator ernannt haben werde; und schließlich, die Zeremonie könne nicht in willkürlichen Intervallen oder zu beliebiger Zeit aus­geübt worden sein. Da sich nun ein Jahrhundert vor der Nagelein­schlagung 391 u. c, nämlich unter dem Jahre 291 u. c. bei Livius3 die Nachricht von einer Pest vorfindet, so glaubte Mommsen hierin einen Hinweis auf eine saeculare Deutung der Zeremonie zu sehen; mit dem Erlöschen der Pest 291 u. c. habe die römische Gemeinde gelobt,


1) Livius VII 3, 5 f.: Repetitum ex seniorum memoria dicitur, pestilentiam quondam clavo ab dictatore fixo sedatam. ea religione adductus senatus dictatorem clavi figendi causa dici iussit .... Lex vetusta est, priscis litteris verbisque scripta, ut, qui praetor maximus sit, idibus Sept. clavum pangat; fixa fuit dextro lateri aedis Iovis optimi maximi, ex qua parte Minervae templum est. eum clavum, quia rarae per ea tempora litterae erant, notam numeri annorum fuisse ferunt, eoque Minervae templo dicatam legem, quia numerus Minervae inventum sit .... Horatius consul ea lege templum Iovis optimi maximi dedicavit anno post reges exactos; a consulibus postea ad dictatores, quia malus Imperium erat, sollemne clavifigendi translatum est. intermisso deinde more digna etiam per se visa res, propter quam dictator crearetur.

2) Livius VIII 18, 2 und IX 28, 6.

3) III 6.

[§ 175. Saecula und Lustra. 205]

in jedem folgenden 100. Jahre die Zeremonie der Nageleinschlagung ausführen zu lassen; die Jahre 291, 391, 491 seien dafür Beweis. Mommsen zieht hieraus Schlüsse über die Anarchiejahre und Diktatoren­jahre, insbesonders aber die Folgerung, daß das Intervall der Amts­jahre von 291—491 zweihundert Kalender­jahren entspricht; zweifellos haben aber in diesem Intervall beträchtliche Verkürzungen der Amts­jahre stattgefunden (s. § 182). Ferner will Mommsen die oben ange­gebenen Nagelein­schlagungsjahre 423 und 441 u. c., die seiner Saecular­hypothese widersprechen, für nicht hinreichend beglaubigt halten. Von Unger, Holzapfel und Soltau sind deshalb gegen diese Theorie eine Reihe von Einwendungen erhoben worden, und man ist jetzt wohl ziemlich allgemein der Ansicht, daß die Zeremonie der Nagel­einschlagung keinen saecularen Charakter hat, sondern ehemals all­jährlich erfolgt ist. Die Diktatoren dagegen wurden nicht jährlich, sondern nur in besonderen Fällen, wo der Staat von Unglück be­troffen war, zur Vornahme der Zeremonie bestellt. Daß 391 und 491 u. c. nach hundertjähriger Zwischenzeit, Diktaturen dafür folgen, ist kaum mehr als Zufall zu nennen.

Matzat hat, ausgehend von seiner Theorie der römischen Jahres­entwicklung (s. § 181), bezweifelt1, daß zwischen den Jahren 291, 391, 491 u. c. je hundert Sonnen­jahre liegen könnten, und hat den Saecular­charakter dieser Jahresreihe (und also der kapitolinischen Nagel­einschlagung) durch die Hypothese zu erhalten gesucht, daß diese Saecularjahre als reine Mondjahre (ohne Schaltung, also alle Jahres­zeiten durchlaufend) zu verstehen seien. Da ein reines Mondjahr bei den Römern in allen Punkten der Überlieferung widerspricht, so können wir diesen rechnerischen Versuch ohne weiteres über­gehen.

Noch schwankender als der Begriff Saeculum ist bei den Römern das Lustrum. Lustrum bedeutet Sühne oder Reinigung, nämlich das Reinigungsopfer am Ende einer Schatzungsperiode (Census) des Volkes, und da die Schätzungen von den Zensoren in gewissen Inter­vallen angeordnet wurden, auch die Anzahl Jahre, die von einem Zensus zum andern verflossen sind. Die zensorischen Verzeichnisse in den kapitolini­schen Fasten, obwohl sie nicht vollständig erhalten geblieben sind, zeigen, daß das Lustral­intervall an keine feste Be­stimmung gebunden, sondern ziemlich willkürlich zwischen 4-, 6- und 7jährigen Fristen auf- und abschwankt2. Nach Th. Mommsen faßte das Lustrum in der älteren Zeit vier Jahre; erst mit den hannibalischen


1) R. Chr. I 235—242.

2) Die erhalten gebliebenen Lustrationsdaten sind [v. = varronisch, l. f. = lustrum [Fortsetzung der Fußnote]

[206 X. Kapitel. Zeitrechnung der Römer.]

Kriegen wurden die Schätzungen reorganisiert und von vier auf fünf Jahre erhöht, wie auch die Zensur ursprünglich keine fünfjährige, sondern nur eineinhalbjährige gewesen ist. Vom 3. Jahrh. v. Chr. ab werden also die Zensuren regelmäßig und fünfjährig, in der späteren Zeit der Republik treten wieder Unregel­mäßigkeiten ein. Abgesehen von dieser Unstetigkeit, ist die Definition des Lustrums bei den Schrift­stellern eine unsichere, da sie bald einen vierjährigen, bald einen fünfjährigen Zeit­abschnitt damit meinen1; der Grund liegt zum Teil auch in der Eigentümlichkeit der lateinischen Sprache selbst, in welcher bei der Angabe von Zwischenzeiten mittels Ordnungszahlen bald der Endtermin der Zählung einge­rechnet, bald ausgeschlossen wird (vgl. oben S. 200). — Da der Begriff des Lustrums als eine vierjährige Periode der ursprüngliche, ältere ist und sich Vergleichungen des Lustrums mit anderen ähnlichen Zeitintervallen bei den Schrift­stellern finden, so haben Th. Mommsen und Hartmann die Vermutung geäußert, ob nicht das „große Jahr“ der Römer, nämlich die vier­jährige Schaltperiode, mit dem alten Lustrum in Verbindung zu bringen sei. Hierauf scheint besonders eine Stelle bei Censorin2 hinzuweisen, wo erzählt wird, daß die vierjährige Periode nicht nur von den Griechen bei der Olympiaden­rechnung, sondern auch von den


[Anfang der Fußnote] fecere; die Daten, welche Zweifeln unterliegen, sind hier weggelassen]:

u. c.280v. l. f. VIII u. c.507v. l. f. XXXVIII u. c.580v. l. f. LI

361 „ l. f. XVI
520 „ l. f. XL
585 „ l. f. LII

391 „ l. f. XX
524 „ l. f. XLI
590 „ l. f. LIII

436 „ l. f. XXV
529 „ l. f. XXXXII
595 „ l. f. LIIII

442 „ I. f. XXVI
550 „ l. f. XXXXV
600 „ l. f. LV

447 „ l. f. XXVII
555 „ l. f. XXXXVI
607 „ l. f. LVI

460 „ l. f. XXX
560 „ l. f. XXXXVII
612 „ l. f. LVII

474 „ l. f. XXXII
565 „ l. f. XXXXVIII
618 „ l. f. LVIII

489 „ l. f. XXXV
570 „ l. f. XXXX VIIII
646 „ l. f. LXIII

502 „ l. f. XXXVII
575 „ l. f. L


Vierjährig waren z. B. die Lustra 520—523 (XL), 442—446 (XXVI), da das Diktator­jahr 445 nicht mitzählt, ferner nach Mommsen XXVIII, XXXIII; das Lustrum XXVII war nur dreijährig.

1) Cicero de orat. III 32 bezeichnet die olympischen Spiele als maxima illa quinquennalis celebritas ludorum; Plinius hist. nat. II 47, 122. 130 gebraucht zweimal nacheinander lustrum für das julianische und für das eudoxische Quadri­ennium.

2) Censorin. XVIII 13—15: Idem tempus anni magni Romanis fuit, quod lustrum appellabant, ita quidem a Servio Tullio institutum, ut quinto quoque anno censu civium habito lustrum conderetur, sed non ita a posteris servatum .... nam cum inter primum a Ser. Tullio conditum lustrum et id quod ab imp. Vespa­siano v. et T. Caesare III. cos. factum est, anni interfuerunt paulo minus DCL, lustra tamen per ea tempora non plura quam LXXII sunt facta et postea plane fieri desierunt. Rursus tamen annus idem magnus per Capitolinos agonas coeptus est diligentius servari, quorum agonum primus a Domitiano institutus fuit duodecimo eius et Servi Corneli Dolabellae consulatu.

[§ 176. Astronomische Grundlagen der Systeme. 207]

Römern bei ihrem annus magnus, welches sie lustrum genannt hätten, verwendet worden sei, denn Servius Tullius habe die Einrichtung getroffen, daß in jedem vierten Jahre ein Zensus zu halten und danach eine Reinigung des Volkes zu vollziehen sei; man habe aber dieses Gebot nicht gehörig beobachtet, bis man wieder unter den Kaisern darauf gekommen und seit Domitian wieder angefangen habe, den annus magnus bei den kapitolinischen Spielen (Agonen)1 zugrunde zu legen. Wie wir später sehen werden (§ 180), wurde das vorcäsarische römische Jahr, ein Lunisolarjahr, mit Hilfe einer vierjährigen Schaltung ausgeglichen, und Servius Tullius wird von manchen als der Ur­heber dieser Schaltung betrachtet. Julius Caesar basierte seine Kalenderreform gleichfalls auf einer vierjährigen Schaltung, allerdings mit anderem Ziele. Da dem Servius Tullius eine Reihe Verbesserungen im römischen Staatswesen und, wie bei Censorin ersichtlich, auch die Einführung des (vierjährigen) Lustrums zugeschrieben wird, so liegt die Vermutung nahe, daß die julianische Schaltordnung gewissermaßen nur eine Nachbildung oder Restitution des servianischen Lustrums ist. Mommsen meint, daß auch die Tatsache, daß die Pontifices die Schaltung Caesars mißverstanden und eine Reihe von Jahren hindurch statt des vorgeschriebenen vierten Jahres schon jedes dritte Jahr zum Schalt­jahr machten (s. § 189), durch die immer schwankend gewesene Definition des Lustrums zu erklären sei, daß man dieses bald als fünfjähriges Intervall (quinto quoque anno) bald ein vierjähriges (quarto quoque anno) ansah.


1) Die kapitolinischen Agonen wurden 86 n. Chr. von Domitian eingerichtet und in jedem 3. Jahre der vierjährigen julianischen Schaltperiode gefeiert.

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