Die Abweichungen des römischen Kalenders von dem Sonnenjahre (den julianischen Jahreszeiten) hat man zu bestimmen versucht, indem man die ermittelten Anfänge der Amtsjahre mit den von den Schriftstellern gemeldeten Ereignissen verband. Leider ist das letztere Material erst vom 3, Jahrh. v. Chr. an reichhaltiger und weniger einander widersprechend. Es besteht in Nachrichten von Feldzügen, Rüstungen, Verhandlungen, Belagerungen, Märschen, Wahlen, Reisen der Konsuln usw., auch von einigen gesehenen Sonnen- und Mondfinsternissen, sowie auffälligen Naturerscheinungen (Prodigien). Die zeitliche Feststellung und chronologische Einreihung dieser Nachrichten unterliegt bei der öfteren Unbestimmtheit der Meldungen erheblichen Schwierigkeiten, so daß nicht selten aus demselben Material von den Chronologen einander entgegengesetzte Interpretationen gezogen werden; feste und zuverläßliche Gleichungen, auf die man sich stützen könnte, kommen verhältnismäßig nicht viele vor. Bei dieser Sachlage ist es den Chronologen nur hier und da gelungen, zu übereinstimmenden Ergebnissen und Feststellungen zu kommen, besonders für das letzte Jahrhundert vor der Kalenderreform; für die ältere Zeit laufen die Meinungen noch sehr auseinander. Alle diese Ergebnisse für die verschiedenen Epochen halbwegs detailliert anzuführen, würde den mir zur Verfügung stehenden Raum in diesem Buche bei weitem überschreiten; ich muß mich auf eine Darstellung der Hauptergebnisse beschränken:
1. Vom römischen Kalender des 3. und 4. Jahrh. u. c. hat Non. lun. = 21. Juni 400 v. Chr. oder 12. Juni 391 v. Chr. (welche der Jahreszeit nach genügen) oder 18. Januar 402 v. Chr. (s. § 176); desgleichen ist zweifelhaft, ob man die Sonnenfinsternisse vom 15. September 340 v. Chr., vom 17. Februar 478 und die Mondfinsternis vom 27. August 478 v. Chr. als diejenigen Prodigien auffassen darf, welche
behauptet, daß derselbe immer in Ordnung mit den Jahreszeiten gehalten worden sei. Die wenigen, dürftigen Zeugnisse, die wir für einzelne Jahre dieses Zeitraums besitzen, beweisen kaum für diese Jahre, viel weniger für die großen dazwischen befindlichen Zeitlücken. Die astronomischen Gleichungen derselben Zeit, die man aufgestellt hat, sind zweifelhaft, und zwar für die -Finsternis 351 varr.§ 176). Die sche Behauptung, daß der Kalender in Ordnung gewesen sei, rührt von der Voraussetzung her, daß man die Ausschaltung mittels der 24jährigen Periode konsequent seit der Aufstellung der Tetraëteris vorgenommen habe. Die Ausschaltung geschah aber in Wirklichkeit noch nicht durch jenen Zyklus, da zu diesem die Kenntnis des 365 1⁄4tägigen Jahres fehlte, sondern nach Bedarf, d. h. sobald man die Abweichung gegen die Jahreszeiten bemerkte.
meint (s.2. Vom 5. bis zum Ende des 7. Jahrh. u. c. sind die Zeugnisse reichhaltiger, so daß man die hauptsächlichsten Verschiebungen des römischen Kalenders hier und da weniger widerspruchsvoll bestimmen kann. Für die Zeit am Ende der Samniterkriege und des ersten Punischen Krieges (bis 241 v. Chr.) differieren allerdings die Ergebnisse noch ziemlich. Während 1⁄2 Monate gestiegen sei. findet dagegen, daß um 215 v. Chr. noch keine Abirrung stattfand, sondern eine solche erst von 207 v. Chr. an auftrat und 203 v. Chr. bis auf einen Monat stieg (Stützen werden gesucht in den Daten der Sonnenfinsternisse vom 11. Februar 217, 6. Mai 203 und 19. Oktober 202 v. Chr., s. § 176). Die Ursache dieser Abweichung und der folgenden größeren soll nicht Ungeschicklichkeit und Unwissenheit bei der Handhabung der Ausschaltung, sondern bewußtes Vorgehen gewesen sein, hervorgerufen durch politische Gründe und sakrale Rücksichten, gedeckt durch Aberglauben. Nach , welcher den Kalender bisher für richtig laufend hält, soll plötzlich 207 v. Chr. aus religiösen Gründen dieses Jahr auf 365 Tage erhöht worden sein(!), dann vernachlässigte man alle Ausschaltung durch 14 Jahre und besann sich erst wieder 561 u. c. (193 v. Chr.) auf die Jahreslängen der Tetraëteris1. Die vernachlässigten Schaltungen wurden weiterhin allmählich nachgetragen, was so darstellt, daß er eine Reihe von Schaltungen zwischen den
für 401 u. c. (= 293 v. Chr.), 496 u. c. zwei bis drei Monate, für 504 u. c. einen Monat Abweichung des Kalenders gegen die Jahreszeit herausdiskutiert (ähnlich ), erfahren die in Betracht kommenden Nachrichten (für den Punischen Krieg besonders ) bei und andere Erklärung: der erstere behauptet ungestörten Gang des Kalenders, der zweite läßt höchstens eine geringfügige Abweichung gelten. Für die Zeit des zweiten Punischen Krieges (bis 201 v. Chr.) konstatiert ein Vorauslaufen des Kalenders von einem Monat, welche Differenz nach dem Ende des Krieges 554 u. c. (= 200 v. Chr.) auf 31) Die Entwürfe der Jahresanfänge S. 116. 117 von dessen „Gang des altrömischen Kalenders“.
s zur hypothetischen Reduktion der römischen Daten auf julianische findet man übersichtlich zusammengestellt im AnhangeJahren 563—591 in größere (378tägige Jahre) verwandelt. Etwa um 590 (= 164 v. Chr.) wäre man mit den Jahreszeiten und der Tetraëteris wieder in Ordnung gewesen. Die Aufstellungen von § 170). In den weiter folgenden Jahren gegen Ende des 6. Jahrh. d. St. verschwindet die vorherige starke Störung fast vollständig, da der Kalender um 601 u. c. (= 153 v. Chr.) in Übereinstimmung mit den Jahreszeiten zu sein scheint. Man schreibt mit Recht das Verschwinden der Differenz der Neuordnung oder vielmehr der Verbesserung des Schaltungsverfahrens zu, welche durch die Lex Acilia (191 v. Chr.) eingeführt wurde.
und , so sehr sie untereinander und von denen s abweichen, treffen doch ungefähr mit letzterem darin zusammen, daß eine Zunahme der Abweichung des Kalenders bis gegen 588 oder 590 u. c. (von 3—4 Monaten) angenommen wird (Stützen: Sonnenfinsternis vom 14. März 190, Mondfinsternis vom 21. Juni 168 v. Chr. s.3. Für die Zeit von 601 bis etwa 690 u. c. (= 64 v. Chr.) finden Taf. I c) von Krankheiten heimgesucht und der Konsul verließ bald darauf1 Afrika, um sich zu den Wahlen nach Rom zu begeben. Die letzteren fanden damals (seit der Verlegung des Amtsantritts auf den 1. Januar) wahrscheinlich in der ersten Hälfte des Novembers statt2. Falls also der Konsul im September die Armee verließ und im Oktober in Rom eintraf, konnte der römische Kalender gemäß diesen Meldungen nicht viel vom richtigen abweichen. Während des Jugurthinischen Krieges, 645 u. c. fiel nach Sallustius (Iug. 37, 3) der Januar in Nordafrika mit der Zeit der größten Kälte zusammen, und die Schlacht bei Vercellae 653 u. c. fand während der heißesten Jahreszeit, nach (Marius 26) drei Tage vor dem Neumonde des Sextilis (August) statt; beide Daten sind nur möglich, wenn der Kalender in jener Zeit richtig lief. Ebenso stimmen andere Daten mit den Jahreszeiten: die Albaner z. B. überfielen 688 u. c. den Pompeius bald nach Anfang des Winters, nach (Pomp. 34), als die Römer mit der Feier der Saturnalien (d. i. 17.—19. Dezember, s. § 172) beschäftigt waren, usw.
, und übereinstimmend, daß der Kalender in Ordnung gehalten worden ist, da sich aus dem historischen Material wenigstens keine erheblichen Differenzen erkennen lassen. So z. B. wurde 605 u. c. das römische Heer vor Karthago um die Zeit des heliakischen Siriusaufganges (für 37° n. Br. am 27. Juli, s.4. Für das Jahr 691 u. c. (= 63 v. Chr.) war der Kalender wahrscheinlich in Ordnung, auch für die nächstfolgenden Jahre 692 — 696
1)
, Pun. 99.2)
, Röm. Staatsrecht I, 3. Aufl., S. 583.tritt noch keine besondere Differenz gegen den richtigen Gang auf. Dagegen erscheint bald nach dem Anfang des gallischen Krieges 698 u. c. (= 56 v. Chr.) eine beträchtliche Störung, die sich bis in die Zeit der Reform des Kalenders durch
hinzieht. Über diese Kalenderunterbrechung ist sehr viel geschrieben worden1. Am besten befriedigt jetzt die Darstellung von , welche auf den von für die Jahre 691—702 gewonnenen Ergebnissen fußt. Danach war das Jahr 691 (= 63 v. Chr.) ein Schaltjahr. Nach ist die Angabe des 2 über den Geburtstag des , 23. September 63 v. Chr. so zu verstehen, daß an diesem Tage die Sonne im Zeichen der Wage stand, was mit der astronomischen Berechnung (Eintritt in die Wage 26. September 4h 48m röm. Zeit) gut übereinstimmt. Der altrömische 23. September kann nicht früher fallen; wenn also das Jahr 691 noch im Dezember 64 v. Chr. angefangen haben soll, so muß es einen Schaltmonat gehabt haben. Für das Jahr 692 stimmt der Kalender mit der Jahreszeit, da man aus den Synchronismen etwa die Gleichung 1. Januar 692 = 27. Dezember 63 v. Chr. annehmen darf. Ebenso lief sehr wahrscheinlich der Kalender 694 und 696 (Auszug der Helvetier) richtig. In den Jahren 698, 699 war er dagegen plötzlich einen Monat voraus, das Jahr 700 begann im November, 701 wahrscheinlich Anfang Dezember. Diesem Gange kann man gerecht werden, wenn die Jahre 691, 693, 695, 700 und 702 als Schaltjahre, die übrigen dieser Intervalle als Gemeinjahre (355tägig) angenommen werden. Von den Jahren 691 und 693 ist zweifelhaft, ob sie mit dem Schaltmonat von 23 oder von 22 Tagen geschaltet wurden, ferner ob statt 695 [ , ] das Jahr 696 ein Schaltjahr war. Für das Jahr 696 (= 58 v. Chr.) bezieht1) Mit der Aufklärung dieser Verwirrungen haben sich seit
(Handb. II 109—117) beschäftigt: in . Hist. de Iules César, Paris 1865, II. Append. A p. 456 f. [s. a. , Hist. de Iules César, guerre civile, Paris 1887, II p. 390 f.]; , De imperat. Augusti die natali (Neue Jahrb. f. klass. Philol. Suppl.-Bd. VII 1873, S. 543 f.); , Caesars gall. Krieg u. Teile seines Bürgerkriegs, II. Bd., Tübingen 1880, S. 197—208; , Beitr. z. römisch. Chronol. (Neue Jahrb. f. klass. Philol. Suppl.-Bd. XIII, 1883, S. 579 f.); , Der röm. Kalend. 218—315 u. 63-45 v. Chr. (ebd. 129. Bd. 1884, S. 545); Ders., Der Gang d. altröm. Kal., S. 106—110; , B. Chr. 46—56; , R. Chr. 316—326; , Der röm. Kal. 65 — 43 v. Chr. im Anhang zu Bd. III von , Geschichte Roms, 1906.2) natus est Augustus M. Tullio Cicerone C. Antonio conss. IX. Kal. Oct. d. h. 23. Septb., da hier julianisch datiert; s. a. , Noct. att. XV 7. Die Sonne stand damals im Steinbock ( Aug. 94: Capricorni, quo natus est). Letztere Angabe bezieht (Neue Jahrb. f. klass. Philol. 1884, S. 570) nicht auf die Geburt, sondern auf die Zeit der Konzeption; zur Zeit der Geburt des stand die Sonne nicht im Steinbock, sondern in der Wage.
, Aug. 5:sich Kal. Aprilis1. Die Helvetier brachen vermutlich um die Zeit der Frühlingsnachtgleiche auf und erreichten ihr Ziel, das Land an der Garonne, im Sommer um die Sonnenwende. Sie rechneten ihre Zeit, wie ein 1897 bei Coligny aufgefundener keltischer Kalender beweist, nach Mondjahren (Lunisolarjahren, vermutlich mit Einlegung eines 30tägigen Schaltmonats alle 3 Jahre) und begannen die Monate jedenfalls mit dem Neulichte. Da der Frühjahrsneumond auf den 24. März 58 v. Chr. traf (s. Tafel III), so entsprach das Neulicht2 dem 25. März und es besteht zwischen diesem und dem obigen Datum die Gleichung a. d. V. Kal. Apr. 696 = 25. März 58 julian. oder Kal. Ianuar. 696 = 31. Dezember 59 v. Chr. Die Schaltung im Jahre 695 (dem ersten Konsulatsjahre s) hat danach 23 Tage betragen. Im Jahre 709 korrigierte den Kalender um 90 Tage (s. § 184). Zwischen 696—708 kann zweimal eingeschaltet worden sein. Da nun die Gleichungen Kal. Ian. 696 = 31. Dezember 59 und Kal. Ian. 709 = 1. Januar 45 v. Chr. bestehen, so mußten in diesem Intervall 44 Tage eingeschaltet werden. Die Schaltung 702 u. c. hat sicher3 23 Tage gehabt, daher müßte die andere 21 Tage betragen; letzteres ist ausgeschlossen, da der Tag X. Kal. Dec. 697 und Kal. Ian. 702 Nundinaltage waren4, also das Intervall der Tage durch 8 ohne Rest teilbar sein muß. Somit bleibt nur die Möglichkeit, daß Kal. Ian. 709 nicht mit dem 1. Januar, sondern mit dem 2. Januar 45 v. Chr. zusammenfiel (s. auch § 184). Als das zweite Schaltjahr des Zeitraums 696—708 ist auf Grund der Nachrichten über s Feldzug in Gallien sehr wahrscheinlich das Jahr 700 (= 54 v.Chr.) anzunehmen5 (das Jahr 701 erscheint viel weniger geeignet, da die Rückfahrt s aus Britannien dann 1 1⁄2 Monate gedauert hätte). Wir erhalten somit an eingeschalteten Tagen zwischen 691—708:
auf das von für den Auszug der Helvetier angegebene Datum a. d. V.1) diem dicunt, qua die ad ripam Rhodani omnes conveniant, is dies erat a. d. V. Kal. April. L. Pisone, A. Gabinio consulibus [d. i. 58 v. Chr.].
, Bell. Gall. I 6:2) Daß die Helvetier gerade am Tage des Frühlingsneumondes resp. des Erscheinens der Sichel aufgebrochen sein sollen, ist eine Hypothese
s. Aber sie ist wahrscheinlicher als andere Annahmen, welche den Tag des Auszugs auf die Frühlingsgleiche selbst setzen (diesen Tag konnten die Helvetier nicht bestimmen) oder dafür einige Zeit nach dem Neumonde annehmen.3)
wurde 18. Januar ermordet ( pro Milone 27); der 8. April, an welchem seine Rede pro Milone hielt, war der 102. Tag nach dieser Ermordung; danach muß die Schaltung 23 Tage betragen haben ( ).4) § 188.
ad Att. IV 3, 4 und XL 47, 1; vgl. auch unten5) S. die Begründung bei
, R. Chr. 322.691 | 23 | Tage | (Jahreslänge | 378 | Tage) |
693 | 22 | „ | „ | 377 | „ |
695 | 23 | „ | „ | 378 | „ |
700 | 22 | „ | „ | 377 | „ |
702 | 23 | „ | „ | 378 | „ |
zusammen also 113 Schalttage. Bei richtiger Schaltung hätte man aber von Kal. Mart. 689 bis Kal. Mart. 709 neunmal schalten, nämlich 203 Tage einlegen müssen. Die Differenz, 90 Tage an fehlenden Schaltungen holte bei seiner Kalenderreform nach, indem er das Jahr 708 auf 445 Tage verlängerte (s. § 184). Die sonstigen Synchronismen des genannten Zeitraums schließen sich der schen Darstellung gut an. Ich setze noch das jul. Datum der Jahresanfänge von 691—709 u. c. nach , die Jahreslängen nach denselben, sowie nach und hier an:
Jahreslängen nach | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
u. c. | Kal. Ian. nach H. u. G. | H. u. G. | S. | U. | ||||
691 | 14. | Dezember | 64 | v. Chr. | 378 | 355 | 377 | |
692 | 27. | „ | 63 | „ | 355 | 378 | 355 | |
693 | 17. | „ | 62 | „ | 377 | 355 | 378 | |
694 | 28. | „ | 61 | „ | 355 | 377 | 355 | |
695 | 18. | „ | 60 | „ | 378 | 355 | 378 | |
696 | 31. | „ | 59 | „ | 355 | 355 | 355 | |
697 | 21. | „ | 58 | „ | 355 | 355 | 355 | |
698 | 10. | „ | 57 | „ | 355 | 355 | 377 | |
699 | 30. | November | 56 | „ | 355 | 355 | 355 | |
700 | 20. | „ | 55 | „ | 377 | 377 | 355 | |
701 | 2. | Dezember | 54 | „ | 355 | 355 | 355 | |
702 | 21. | November | 53 | „ | 378 | 378 | 378 | |
703 | 4. | Dezember | 52 | „ | 355 | 355 | 355 | |
704 | 24. | November | 51 | „ | 355 | 355 | 355 | |
705 | 14. | „ | 50 | „ | 355 | 355 | 355 | |
706 | 3. | „ | 49 | „ | 355 | 355 | 355 | |
707 | 24. | Oktober | 48 | „ | 355 | 355 | 355 | |
708 | 14. | „ | 47 | „ | 445 | 445 | 445 | |
709 | 2. | Januar | 45 | „ | 365 | 366 | 365 |
Ginzel, Chronologie II. 18