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[§ 188. Die Nundinen und ihr Zyklus. 285]

§ 188. Die Nundinen und ihr Zyklus.

Die achttägige Marktwoche (nundinae) wurde schon S. 175 f. erwähnt, ebenso der damit verbundene kalendarische Aberglaube. Der letztere war zweifacher Art. Einesteils sollten die Nundinae nicht mit den Nonen zusammenfallen, anderseits sollte das Zusammentreffen

[286 X. Kapitel. Zeitrechnung der Römer.]

der Nundinen mit dem Neujahr (Kal. Ian.) vermieden werden1. Der erstere Aberglaube, man habe das Zusammentreffen der Nundinen mit den Nonen der Monate verhindert, würde fort­währende Änderungen des Kalenders notwendig gemacht haben. Man hätte (Hartmann) außer dem gewöhnlichen Schalttage noch andere in einzelne Monate einlegen und diese Schalttage wieder durch Ausschaltungen kom­pensieren müssen, was man sich höchstens für die ältere Zeit vor­stellen kann. Dio Cassius (LX 24) meldet zum Jahre 797 u. c. = 44 n. Chr. eine solche Verschiebung, mit dem Beifügen, daß solche Willkür bisweilen vorgekommen sei. Die neueren Chronologen ver­halten sich gegenüber der Nachricht des Macrobius skeptisch und glauben, daß der Aberglaube erst in der Kaiserzeit entstanden ist, wozu sie umso eher berechtigt sein werden, da sich zu Ciceros Zeit keine solche Verschiebungen im Kalender zeigen.

Über den anderen Aberglauben, nach welchem das Zusammen­treffen der Nundinen mit den Neujahrstagen vermieden worden sei, sind die Meinungen geteilt. Während manche auf Grund der Mit­teilung des Dio Cassius2, jener Aberglaube sei von jeher berück­sichtigt worden, ein hohes Alter dafür annehmen und eine Stütze darin sehen, daß man den Pontifices die freie Handhabung der Schal­tung zugestanden habe, weisen Th. Mommsen und Unger jene An­nahme ab: Macrobius habe betreffs der Neujahrstage und Nundinen einen erst in der Kaiser­zeit aufgekommenen Gebrauch irrtümlich auf die frühere Zeit übertragen. Unger glaubt, daß überhaupt dieser Aberglaube erst seit 601 u. c. = 153 v. Chr., wo der Anfang des Amts­jahres auf den 1. Ianuar kam (s. S. 246, 262) ausgeübt worden sein kann. Ein solches Zusammenfallen der Nundinen mit den Kal. Ian. wird von Dio Cassius3 mehrfach, aber nur aus verhältnismäßig später Zeit berichtet. Das Jahr 702 u. c. = 52 v. Chr. war ein solches Jahr; der Zeit nach später wird das Zusammen­fallen der Nundinen mit dem Neujahr während des Lepidus­tumultes liegen (Macrobius s. unt. Anm. 1) ;


1) Macrobius I 13, 16. Sed cum saepe eveniret, ut nundinae modo in anni principem diem, modo in nonas caderent — utrumque autem perniciosum rei pu­blicae putabatur — remedium, quo hoc averteretur, excogitatum est, quod aperie­mus, si prius ostenderimus, cur nundinae vel primis Kalendis vel Nonis omnibus cavebantur. (17) nam quotiens incipiente anno dies coepit, qui addictus est nun­dinis, omnis ille annus infaustis casibus luctuosus fuit, maximeque Lepidiano tu­multu opinio ista firmata est. [Der folgende Satz (18) hat keinen Zusammenhang mit den vorigen und ist wahrscheinlich eingeschoben, s. die Erklärungen bei Hartmann, R. Chr. 108—110.] Darauf folgt der schon S. 245 mitgeteilte Satz (19): unde dies ille ......

2) XLVIII 33, 4: ἀπὸ τοῦ πάνυ ἀρχαίου σφόδρα ἐφυλάσσετο.

3) XL 47, XLVIII 33.

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sicher fielen 711 u. c. = 43 v. Chr. die Nundinen auf den 1. Januar1, und 714 u. c. = 40 v. Chr. wurde nach Dio Cassius bestimmt ein Tag eingeschaltet, damit der Anfang des nächsten Jahres nicht auf die Nundinen treffe. Wie man bei solchen Verschiebungen vorging, ist aus den Worten des Macrobius nicht ganz klar; wahrscheinlich schaltete man im vorhergehenden Jahr (nach Macrobius in medio Terminaliorum [et Regifugii] vel mensis intercalaris) einen Tag ein und ließ einen des nächsten Jahres dafür aus.

Die Herstellung eines Zyklus der Nundinen kann, da zu­reichende Anhaltspunkte fehlen, nur ganz hypothetisch vorgenommen werden. Gehen wir von dem sicheren Datum 711 u. c. Kal. Ian. = 43 v. Chr. 1. Januar aus (s. oben), auf welches Datum eine Nundine fiel, so erhalten wir als Datum der nächst­vorhergehenden Nundine 24. Dezember 44 v. Chr., die zweit­vorher­gehende am 16. Dezember usf., die erste Nundine des Jahres 44 v. Chr. also am 6. Januar, die erste des Jahres 45 v. Chr. am 4. Januar usw., wenn dabei die Jahreslängen angenommen werden, welche § 183 resultierten. Die Nundinen ändern also fortwährend ihre Stellen in den Monaten und Jahren; da aber in 32 julianischen Jahren = 11688 Tagen gerade 1461 Nundinen enthalten sind, so erhalten wir einen 32 Jährigen Zyklus, nach dessen Ablauf die Nundinen wieder (wenn das julianische Jahr ungestört bleibt) auf dieselben Tage fallen. Der erste von 43 v. Chr. 1. Januar rückwärts gerechnete Zyklus lautet danach wie folgt, wobei die Zahlen neben den Jahren als Daten der ersten Nundinen in den Monaten Ianuar und Juli zu verstehen sind:

v. Chr.Ian.Iul. v. Chr.Ian.Iul. v. Chr.Ian.Iul. v. Chr.Ian.Iul.
7447 6625 5883 5061
7371 6557 5735 4913
7214 6472 5658 4836
7147 6325 5583 4761
7072 6258 5436 4614
6924 6182 5368 4546
6847 6025 5283 4461
6772 5958 5136 4314

Die nächsten Zyklen nach rückwärts würden 106, 138 v. Chr., die nächsten nach vorwärts 42, 10 v. Chr., 23, 55, 87 n. Chr. anfangen. Wenn das Datum der Jahresanfänge bekannt ist (wie S. 273), kann man das hypothetische Datum jeder gegebenen Nundine ermitteln. Die 15. Nun-


1) Merkel zu Ovid, Fasti, p. XXXII.

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dine des Jahres 706 u. c. = 48 v. Chr. würde, da die erste Nundine 48 v. Chr. (s. Tafel) auf den 3. Januar fällt, das Jahr 706 aber schon am 3. November 49 angefangen hat, also bereits 7 Nundinen ge­laufen sind, auf den 28. Februar kommen.

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