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[308 XI. Kapitel. Zeitrechnung der Griechen.]

§ 194. Jahreszeiten.

Bei den in Entwicklung begriffenen Völkern haben wir gesehen (Kap. IX), daß die Unterscheidung der Jahreszeiten mit der allmählichen Entwicklung des Zeitbegriffes konform geht: anfänglich existiert eine rohe Halbjahrrechnung nach kalter und warmer Jahreszeit, die näherungsweise das Naturjahr ausfüllt und sich erst mit fort­schreitender Kultur in Unterabteilungen spezialisiert. Die Griechen machen von dieser allmählichen Entwicklung ihrer Jahreszeiten keine Ausnahme; wir treffen bei ihnen in der alten Zeit kaum mehr als zwei Jahreszeiten an, welche sich nach und nach bis zu fünf oder sieben Unterabteilungen zerspalten. Die Beziehung des jährlichen Umschwungs des Sternenhimmels zu den Jahreszeiten, den wir häufig in den ersten Entwicklungsstadien der Zeitrechnung bei den Völkern vorfinden, tritt bei ihnen besonders bestimmt auf, was bei einem vor­züglich auf die Schiffahrt, also auf die Orientierung nach den Sternen angewiesenen Volke, wie den Griechen, leicht erklärlich ist. Diese Verbindung und Charakterisierung einzelner Jahreszeiten mit der Zeit des Wiederkommens und Verschwindens gewisser Sterne oder Sternbilder finden wir nicht bloß bei Homer, sondern auch in viel späterer Zeit, obwohl in dieser der Begriff des Sonnenjahres schon so gefestigt sein mußte, daß man den Beginn und das Ende der Jahreszeiten hätte schärfer ausdrücken können. Von dieser Art Zeit­umschreibung, welche in Griechenland alt und daher volkstümlich war, geben noch die Parapegmen späten Zeitalters beredtes Zeugnis.

[§ 194. Jahreszeiten. 309]

So enthält z. B. das dem Kalender des Geminos angehängte Para­pegma, das etwa um 230 v. Chr. von einem Unbekannten verfaßt ist1 eine große Zahl solcher Stern­stellungen, welche einzelne Jahres­zeiten definieren (und außerdem mit Witterungs­änderungen in Ver­bindung gebracht werden). Besonders dienen in der griechischen Literatur zur Bezeichnung der Jahreszeitgrenzen jene Auf- und Unter­gänge von Sternen, die wir im I. Bande (S. 23—27) als jährliche definiert haben. Von diesen Auf- und Untergängen sind für das freie Auge sichtbar (s. a. d. O.): der heliakische Aufgang (Frühaufgang), der akronychische Aufgang (scheinbare Spätaufgang), der heliakische Untergang (Spätuntergang) und der kosmische Untergang (scheinbare Frühuntergang). Die wahren Auf- und Untergänge (kosmische und akronychische) sind unsichtbar, da sie stattfinden, wenn die Sterne gleichzeitig mit der Sonne im Horizont (Ost- oder Westhori­zont) stehen. Die gleich zu erwähnenden Tafeln I des vorliegenden Bandes beziehen sich also auf die obigen sichtbaren Erscheinungen der Sterne. Zur Aufklärung und Vergleichung der von den Alten überlieferten Zeiten der jährlichen Auf- und Untergänge sind die letzteren von älteren und neueren Astronomen berechnet worden2, jedoch immer nur für einzelne gegebene Fälle, für ein bestimmtes Jahr und einen bestimmten Parallel. Meine schon S. 208210 erwähnten Tafeln geben die jährlichen Auf- und Untergänge der Plejaden, des Sirius, Orion, Arktur, Wega und Spica (α Virginis) für das ganze Ländergebiet am Mittelmeere, von 501 v. Chr. bis 300 n. Chr. Die drei Tafeln, welche die Resultate einer beträchtlichen Rechen­arbeit enthalten, gestatten, wenn man die Differenzen zwischen den Zahlen bildet, noch eine Extrapolation für die Jahre 700 oder 800 v. Chr. und 500 oder 600 n. Chr. Die Sonnenlängen der Taf. I b sind mittels Neugebauers Sonnentafeln (S. 154) hergestellt; der Be­rechnung der Auf- und Untergänge liegen die in Taf. I des I. Bandes mitgeteilten Örter der Sterne zugrunde, die ihrerseits wieder auf dem besten unserer gegenwärtigen Sternkataloge beruhen (s. I 29


1) A. Böckh, Üb. die vierjährigen Sonnenkreise der Alten, Berlin 1863, S. 25.

2) Ideler, Zu Ovids Fasten (Abh. d. Berlin. Ak. d. W. 1822—23); Ders., Üb. d. Kalender des Ptolem. (Abhdlg. d. Berlin. Akad. d. Wiss. 1816—17); Ders., Handb. d. m. u. t. Chronol. I 242 - 247; Joh. Fr. Pfaff, De ortibus et occas. siderum apud auct. classic. commem., Götting. 1786; F. Hartwig, Üb. die Berechn. d. Auf- u. Unterg. d. Sterne (Progr.), Schwerin 1861; Encke und W. Förster (bei Böckh, Sonnen­kreise der Alten); C. Bruhns (bei Aug. Mommsen, Chronologie, Unters. üb. d. Kalenderwesen d. Griechen, Leipz. 1883, S. 25—28); G. Hofmann, Üb. die bei griech. u. röm. Schriftstellern erwähnten Auf- u. Unterg. d. Sterne (Progr.), Triest 1879.

[310 XI. Kapitel. Zeitrechnung der Griechen.]

Anm. 2)1. Die sonstigen Grundlagen der Tafeln2 und ihren Gebrauch habe ich im Kapitel „Zeitrechnung der Römer“ S. 208210 auseinandergesetzt. Es muß auch noch nachdrücklich auf die Schwierigkeiten hingewiesen werden, welchen die Beobachtungen der jährlichen Auf- und Unter­gänge unterliegen (s. I 26), woraus hervorgeht, daß Beobachtung und Rechnung wesentlich voneinander differieren können. Die drei Tafeln liefern die Auf- und Untergangsdaten für beliebige Zeit und beliebigen Ort. Aus der Tafel I c würden wir für die Zeit des Hesiod (etwa 800 v. Chr.) und den Parallel von Athen (38°) folgende Zeiten haben:


Heliak. Aufg.Heliak. Unterg.Akron. Aufg.Kosm. Unterg.
PlejadenMai 20April 4Sept. 24Nov. 3
OrionJuni 29Mai 1Nov. 29„ 20
SiriusJuli 28„ 3Jan. 2„ 22
ArkturSept. 17Nov. 3Febr. 24Juni 5

Für die Breiten von Knidos (36,7°) und Kyzikos in der Pro­pontis (40,4°) und für das Jahr 432 v. Chr. (= —431) würde für den Sirius folgen:


Heliak. Aufg.Heliak. Unterg.Akron. Aufg.Kosm. Unterg.
KnidosJuli 27 3Mai 5Jan. 1Nov. 24
Kyzikos„ 31„ 1„ 4„ 21

Wie oben bemerkt, unterschieden die Griechen in der ältesten Zeit wahrscheinlich kaum mehr als zwei Jahreszeiten, die kalte und


1) Die genaue Kenntnis der mittleren Örter der Hauptsterne und der Ver­änderung dieser Örter ist eine Errungenschaft der Neuzeit, und erst diese bietet die Mittel, für entlegene Zeiten die Positionen der Sterne mit hinreichender Sicher­heit angeben zu können. Es ist darum unstatthaft, neben modernen Rechnungs­resultaten der jährlichen Auf- und Untergänge noch veraltete, wie die von Petavius und Kepler, Ideler u. a. anzugeben (wie dies geschehen).

2) Für die Plejaden muß notwendigerweise, da oft nicht bestimmt wird, welcher Stern dieser Sterngruppe der Rechnung zugrunde liegt, das Resultat stärker von anderen Ergebnissen abweichen. Aug. Mommsen hat, wie er sagt, „beunruhigt durch das Vielerlei der Bestimmungen“ Beobachtungen von J. Schmidt in Athen von 1860—79 herangezogen, aus welchen Bruhns für die heliakischen Aufgänge einen Sehungsbogen von 18 12° und für die kosmischen Untergänge von 14° abgeleitet hat (s. a. a. O. 25—27). Die Beobachtungen beziehen sich auf den Stern η Tauri, umfassen aber nur etwa 4 heliakische Aufgänge und 9 heliakische Untergänge. Für die kosmischen Untergänge ist der Sehungsbogen nur geschätzt. Das Material ist viel zu wenig umfangreich, um den von Bruhns ermittelten Sehungsbogen verbürgen zu können. Die Sache ist also auch für A. Mommsen „ein Problem geblieben“, wie er selbst gesteht.

3) W. Förster (bei Böckh, a. a. O. 415): für Knidos Juli 26, für Kyzikos Juli 31.

[§ 194. Jahreszeiten. 311]

die warme Zeit. Diese ursprüngliche Teilung des Jahres tritt uns noch bei Hesiod entgegen, welcher in seinem Gedichte, wo vom Feldbau die Rede ist (ἔργα), sagt1 daß die Ernte (ἄμητος, das Abmähen) mit dem Aufgange (d. h. Frühaufgang) der Plejaden, die Aussaat (ἄροτος, das Ackern, Pflügen) mit dem Untergange derselben (d. h. dem kos­mischen Untergange) beginne; vierzig Tage und Nächte seien die Plejaden nicht sichtbar, und wenn sie wiederkommen, schärfe man das Eisen zur Ernte, zum neuen Jahresanfange. Der Anfang des Sommers war also nach den oben mitgeteilten Zahlen für die Zeit und den mutmaßlichen Wohnort2 Hesiods der 20. Mai, nachdem die Plejaden vom 4. April bis dahin (46 Tage) unsichtbar gewesen waren. Der Winter begann mit dem 3. November (kosm. Unterg. der Ple­jaden). Die Anfänge beider Jahreszeiten sind um etwa ein halbes Jahr voneinander entfernt, jedoch ist das Winterhalbjahr um einen Monat länger als das Sommerhalbjahr; in der Praxis wird man diesen Halbjahren, welche aus der Teilung des rohen Naturjahres hervorgingen, ungefähr die gleiche Länge gegeben haben, wodurch die Teilung volkstümlich wurde. Aus dem Umstände, daß der helia­kische Aufgang und der kosmische Untergang der Plejaden (Sieben­gestirn, vergiliae bei den Römern) wichtige Signale für den Acker­bauer waren, haben einige auf die rechnerische Existenz eines besonderen Plejadenjahrs geschlossen — mit welchem Rechte, werden wir in den §§ 200 und 203 sehen. Ferner schloß ein Kriegsjahr zwei Halbjahre in sich: den Winter als die Zeit der Rüstungen und Ver­handlungen und den Sommer (oder vielmehr die milden Jahreszeiten) als eigentliche Kriegszeit. — Den klimatischen Verhältnissen Griechen­lands entsprechend finden sich später weitere Ausdrücke für die Stufen der Jahreszeiten ein, die wir besonders von der Zeit Homers und und Hesiods an verfolgen können. Eine Dreiteilung des Jahres bei diesen beiden Dichtern, wie sie Ideler angenommen hat, läßt sich in Hinsicht auf die wenigen in Betracht kommenden Schriftstellen nur bedingungsweise sichern. Bei Homer3 kommen nämlich vier Be­zeichnungen vor: χειμών, die stürmische, kalte, nasse Zeit = der Winter, zu welchem im Gegensatz steht und von Homer auch in Gegensatz gebracht wird ϑέρος = Sommer, Zeit der Sommerernte; ἔαρ, der


1) v. 383:  Πληιάδων Ἀτλαγενέων ἐπιτελλομενάων /  ἄρχεσϑ᾽ ἀμήτου, ἀρότοιο δὲ δυσομενάων. /  αἳ δή τοι νύϰτας τε ϰαὶ ἤματα τεσσαράϰοντα /  ϰεϰρύφαται, αὖτις δὲ περιπλομένου ἐνιαυτοῦ /  φαίνονται τὰ πρῶτα χαρασσομένοιο σιδήρου.

2) Hesiod war von Kleinasien nach Griechenland eingewandert. Sein Wohn­sitz daselbst ist fraglich, vermutlich war es das zentrale Hellas.

3) Il. VI 148, XXI 346, III 4; Od. XIX 519, XI 192 u. a.

[312 XI. Kapitel. Zeitrechnung der Griechen.]

Frühling, und ὀπώρα, d. i. die Zeit, wo der Hundestern (Sirius) mit der Sonne zugleich am Himmel steht, die Zeit, wo alle Früchte reifen, der heißeste Teil des Jahres (Hundstage), nämlich vom helia­kischen Aufgang des Sirius an. Die ὀπώρα ist also keine besondere Jahreszeit, sondern nur ein Teil des Sommers, der Hochsommer. Ver­einigt man ὀπώρα mit ϑέρος zu einer Jahreszeit, so erhält man für Homer allerdings nur drei Jahreszeiten, bei welchem Ansatz Ideler verblieben ist. Homer läßt auch noch die Regenzeit und die Zeit der Fruchtlese in die ὀπώρα fallen; charakteristisch ist für sie das Erscheinen des Sirius, welcher darum1 ἀστὴρ ὀπώρινος genannt wird. Hesiod dehnt die Opora noch weiter aus ; 50 Tage nach der Sommer­wende endigt der Sommer (ϑέρος), also am 21. August2, dann soll die Opora bis zum Winter reichen. Es scheint also annehmbar, daß schon bei Homer und Hesiod die Vierteilung des Jahres sich, wenn auch nicht völlig klar, ausgedrückt findet. Eine besondere Bezeichnung für den Herbst gab es in Jener Zeit noch nicht. Erst bei Hippokrates treten zwei Definitionen dafür und die uns geläufigen vier Jahreszeiten Frühling, Sommer, Herbst und Winter auf. In medizinischen Schriften, die ihn teilweise zum Verfasser haben, heißt der Herbst φϑινόπωρον3 oder μετόπωρον4: „Der Winter geht vom Früh­untergange (kosm. Unterg.) der Plejaden bis zur Frühlingsnachtgleiche, der Frühling bis zum Frühaufgange (heliak. Aufg.) der Plejaden, der Sommer bis zum Frühaufgange des Arktur und der Herbst bis wieder zum Frühuntergange der Plejaden.“ Setzen wir die Mitte der Lebens­zeit des Hippokrates auf 420 v. Chr., das Frühjahrsäquinoktium 26. März (s. I 101), so erhalten wir mit Hilfe der Tafel III c für den Parallel von 37°: Winter vom 4. November bis 26. März, Frühling von da bis 20. Mai, Sommer bis 20. September, Herbst bis 4. November. Neben dieser populären, an den jährlichen Auf- und Untergang der Gestirne geknüpften Vierteilung des Jahres finden sich bei den astro­nomischen und anderen Schriftstellern späterhin auch die vier theore­tischen Jahreszeiten vor, nämlich jene, welche mit den astronomischen Jahrpunkten anfangen und durch die Eintritte der Sonne in die Tier­kreiszeichen ausgedrückt werden. Bei Geminos5 ist der Anfang des Frühlings (ἔαρ) auf das Zeichen Widder 1 gesetzt, der Anfang des Sommers (ϑέρος) auf Krebs 1, der Herbstpunkt (φϑινόπωρον) auf


1) Il. V 5.

2) V. 663. — Das Sommersolstiz traf 800 v. Chr. auf den 2. Juli (Juli 1,059 m. Gr. Zt. von Mittag ab gerechnet).

3) III 387. 397 (de diaeta).

4) I 544. 543 (de aëre, locis et aquis).

5) Εἰσαγωγὴ c. 1; Olympiodor, Comm. in lib. I meteorol. Aristot. 20a; Agathias V 3, 11; Hesychios (unter φϑινόπωρον u. ἔαρ) u. a.

[§ 194. Jahreszeiten. 313]

Wage 1, der Winter (χειμών) auf Steinbock 1. „Das erste Zeichen fängt mit dem Widder an, in ihm beginnen die vier Jahreszeiten Frühling, Sommer, Herbst und Winter.“

Trennt man die ὀπώρα von dem ϑέρος ab, unterscheidet also etwa einen Vorsommer von dem Hochsommer, so entstehen aus der letzt­genannten Jahresteilung fünf Jahreszeiten. Eine solche Unter­scheidung scheinen Aristoteles und Theophrast im Sinne zu haben, welche den Anfang der ὀπώρα schon einen Monat früher als oben bemerkt, nämlich auf den Frühaufgang des Orion1 (um die Mitte des 4. Jahrh. v. Chr. für Athen um den 29, Juni, s. Taf. Ic) setzen. Nach den Schriftstellen bei Aristoteles2 und Theophrast3, welche ziemlich gleichlautend sind und besagen, „daß der Orion im Anfange der Opora aufgehe“, und nach der Meinung von Böckh4 hätte man wenigstens den Frühaufgang des Orion anzunehmen. Bei dieser Teilung würde also der eigentliche Sommer bis etwa Anfang Juli gerechnet worden sein und sich hieran die Opora bis zum Spätherbst ange­schlossen haben. — Teilte man noch den langen Winter (χειμών) in drei Unterabteilungen, so erhielt man sieben Jahreszeiten; diese sollen nach Galenus in dem verloren gegangenen Werke περὶ ἑβδομάδων des Hippokrates aufgestellt sein, u. zwar: σπορητός die Saatzeit (= ἄροτος) vom Frühuntergange der Plejaden bis zur Winterwende (420 v. Chr. und 37° n. Br. vom 4. November bis 26. Dezember), der eigentliche Winter von der Winterwende bis zum Spätaufgang (akron. Aufg.) des Arktur (d. i. bis 28. Februar), φυταλιά, die Zeit der Baumpflanzung am Winterende, vom Spätaufgang des Arktur bis zur Frühlingsgleiche (d. i. bis 26. März); hierauf folgen Frühjahr bis zum Frühaufgang der Plejaden (d. i. bis 20. Mai), Vorsommer (ϑέρος) bis zum Früh­aufgang des Sirius (27. Juli), Opora bis zu Arkturs Frühaufgang (20. September) und schließlich der Herbst (μετόπωρον) bis 4. November. Man hatte also

Sommer
{
ϑέρος  Winter
{
ἄροτος 
ὀπώρα  χειμών 
μετόπωρον  φυταλιά 
Frühling ἔαρ.

Was die Jahreszeiten selbst anbelangt, so muß zuerst über den Frühlingsanfang bemerkt werden, daß als Anfang des Lenzes


1) Bei einem so ausgedehnten Sternbilde wie Orion kommt es natürlich mehr als bei den übrigen Fällen darauf an, was für einen Stern man der Rech­nung zugrunde legt. In Taf. Ia. c wurde der hellste, α Orionis angenommen.

2) Problem. XXVI 13.

3) De ventis (Fragm. V) 55.

4) Sonnenkreise d. Alt. 103.

[314 XI. Kapitel. Zeitrechnung der Griechen.]

der akronychische Aufgang des Arktur (zu Eudoxos Zeit und für Athen am 27. Februar, s. Taf. Ic) betrachtet wurde; Eudoxos setzt letzteren 25, Februar, das Parapegma des Geminos setzt Fische 4. Euktemon, Philippos und Demokrit beginnen den Frühling eben­falls mit dem Spätaufgang des Arktur, desgleichen Hesiod, ein Be­weis, daß diese Anfangszeit die altbekannte war. Eudoxos setzt den Frühlingsanfang auf die Tag- und Nachtgleiche, nach seiner Rechnung (s. Böckh) den 28. März; außerdem nennt er aber noch einen zweiten, theoretischen Frühlingsanfang, der 47 Tage nach der Winterwende auf den 12. Februar fällt und (im Parapegma des Geminos, unter Wassermann 14) ζέφυρος benannt wird1. Da der jährliche Auf- und Untergang der Sternbilder den Griechen allgemein bekannt war, knüpfte auch der Landmann seine für den Frühling notwendigen Feldarbeiten an den Spätaufgang des Arktur, welcher ihn mahnte, daß der Frühling sich nähere. Diese Sternphase gab also einen be­quemen Einschnitt für die jährliche Zeitrechnung der Feldarbeit oder der Schiffahrt ab; populär als Frühlingsanfang konnte sie nicht werden, da ihre Zeit für das Klima Griechenlands zu früh lag. Den natür­lichen Anfang für den Frühling bildete daher die Zeit, in welcher sich das Erwachen der Natur ankündigte, die Zeit um das Äqui­noktium. Volkstümlich wird also als Beginn des Frühjahrs die Tag- und Nachtgleiche verstanden. Um diese Zeit stellen sich die Schwalben ein (Hesiod v. 568), der Ruf des Kuckucks beginnt bald (v. 486), der Feigenbaum fängt an sein erstes Grün zu zeigen (v. 680). Nach Herodot (VII 37, VIII 51) brach Xerxes „gleich mit dem Frühling“ von Sardes auf und brauchte nach dem Übergang über den Helles­pont vier Monate Zeit, um in Attika zur Zeit der olympischen Spiele (d. h. am Ende des Hochsommers) anzukommen. Epaminondas (370 v. Chr.) beschloß in Mantinea, um die Winterwende (26. Dezember) in Lakonien einzubrechen (Plut., Pelop. 24); dort blieb er 85 Tage oder 3 Monate (Plut., Ages. 32) und bei seinem Rückzug war es noch Winter (Xenophon, Hell. VI 5, 1). Die Seeleute konnten den Frühling meist um einige Zeit vor dem Äquinoktium beginnen, da die milderen Winde schon am Ende des Nachwinters eintreten, wes­halb die Eröffnung der Schiffahrt auf den 70. Tag nach der Winter­wende (Aristoteles, Meteorol. II 5) gesetzt wird.


1) In Ägypten rechnete man den Frühling vom Eintritt des Zephyrs an. Eudoxos, der sich bekanntlich lange in Ägypten aufgehalten hat, übertrug diese Frühlingsepoche auf Griechenland, und nach ihm Hipparch, der dafür 8. Februar setzt. Für Griechenland ist jedoch unter ζέφυρος jedenfalls nur der um die Tag- und Nachtgleiche wehende milde Wind Zephyr zu verstehen, der am Ende des Winters den Frühling einleitet.

[§ 195. Der Monat; Zählung der Monatstage nach Dekaden. 315]

Daß der Anfang des Sommers in die Zeit des Frühaufgangs der Plejaden (etwa 20. Mai) gesetzt wird, ist schon oben bemerkt. Den theoretischen Sommeranfang setzt Eudoxos 47 Tage nach dem Frühlingsäquinoktium, d. i. 13. Mai. Populär ist der Aufgang der Plejaden als das Zeichen zur beginnenden Sommerernte (Hesiod). Für die Dreschzeit gibt Hesiod (v. 598) den Frühaufgang des Orion an (um 800 v. Chr. etwa der 29. Juni), Eudoxos den 6. Juli (den Anfang des Aufgangs 19 Tage früher), Geminos Krebs 11. Den Dichtern sind der Gesang der Zikade (Hesiod v. 582), die blühende Distel usw. die Zeichen für die Abteile des Sommers.

Der Herbst folgt auf die Opora ; volkstümlich wird sein Anfang mit dem heliaki­schen Aufgang des Arktur verbunden (für die Zeit des Hesiod der 17. September, des Hippokrates 20. September); so von Hesiod, Euripides, Aristoteles u. a. Eudoxos setzt den Früh­aufgang des Arktur (im Parapegma des Geminos) auf Jungfrau 19 = 14. September, den theoretischen Herbstanfang auf den 47. Tag nach dem Sommersolstiz, d. i. 13. August. Von späteren, namentlich römischen Schriftstellern wurde der Herbstanfang mit dem Früh­untergang der Leyer verknüpft, welcher um Mitte August stattfand. Auf die Zeit des heliakischen Aufgangs des Arktur (17. September, s. oben) setzt Hesiod auch die Zeit der Weinlese (v. 609).

Der Winter beginnt (s. oben) mit dem kosmischen Untergang der Plejaden; so schon Hesiod (v. 384), zu seiner Zeit der 3. November. Derselbe Dichter verbindet (v. 619) die Beendigung der Schiffahrt noch mit den kosmischen Untergängen der Hyaden und des Orion (der letztere für die Zeit des Hesiod der 20. November). Das Para­pegma des Geminos setzt die erstere Phase Skorpion 29 (24. November), die zweite Phase Schütze 8 (2. Dezember). Die drei Teile des Winters ἄροτος, χειμών, φυταλιά haben wir schon oben (S. 313) erwähnt. Der theoretische Winteranfang ist nach Eudoxos der 12. November.

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