Bei der Beurteilung der Prytanienlängen wurde vorausgesetzt, daß der erste Monat des Jahres der Hekatombaion (Juli) gewesen sei, und zwar auch in der Zeit vor § 194), schließen zu dürfen, daß ehemals ein mit dem kosmischen Untergange des Plejadengestirns (November) anfangendes Sternjahr gebraucht worden ist. Dieses Plejadenjahr hat sich aus zwei Halbjahren, deren eines vom kosmischen Untergang der Plejaden (im 9. Jahrh. v. Chr. um den 3. November) bis zum heliakischen Aufgang (20. Mai) und deren zweites von da über den Sommer bis zum Herbst reichte, ausgebildet. Dieses mit dem Spätherbst anfangende Plejadenjahr habe vielleicht in der Vorzeit in Athen gegolten, Spuren davon in historischer Zeit seien bei den Phokern und Achäern nachweisbar; die letzteren hätten ihre Amtsjahre an die Plejaden geknüpft. Die Gründe für diese Hypothese sind nicht sehr stark1. Aber selbst zugegeben, daß ehemals ein Plejadenjahr in Griechenland existiert habe, ist nicht recht einzusehen, warum dasselbe nur mit dem kosmischen Untergang und nicht mit der mehr auffälligeren Phase des heliakischen Aufgangs begonnen haben müßte. Diese plejadische Zeitrechnung hat man des weiteren nach zu oder vor s Zeit aufgegeben und hat das Wiedererscheinen des Sirius als die Zeit des Jahresbeginns gewählt. Da der heliakische Aufgang des Sirius durch Jahrhunderte hindurch für die Breite von Athen auf dem 28. Juli verblieb (s. Tafel I c), das Sommersolstiz aber dieser Zeit früher näher lag als später (das Sommersolstiz fand 1000 v. Chr. am 3. Juli, 800 v. Chr. am 1. Juli, 500 v. Chr. am 29. Juni statt), so seien die Griechen im Laufe der Zeit mit ihrem Jahresbeginn der Zeit des heliakischen Siriusaufganges gefolgt und so hätte sich der Übergang vom Herbstanfang zum Sommerjahranfang bei ihnen von selbst vorbereitet. Allein gegen das Plejadenjahr wie gegen das Siriusjahr ist einzuwenden, daß Sternjahre überhaupt nur ein Surrogat für ein geordnetes Jahr darstellen können, da die jährlichen Sternauf- und
, daß also mit diesem Monat, d. h. im Sommer, das attische Jahr angefangen habe. Es sind aber Meinungen geäußert worden, daß der Jahresanfang in der alten Zeit nicht der Sommer gewesen sei. Für die vorhistorische älteste Periode Griechenlands glaubt aus den bei und häufig erwähnten jährlichen Sternauf- und Untergängen, an welche die Jahreszeiten geknüpft werden (s.1) Die Strategen der Achäer haben zwar (
IV 37, 2; V 1, 1) ihre Funktionen um die Zeit des Frühaufgangs der Plejaden angetreten, jedoch nachweisbar nur in den Jahren 222 — 218 v. Chr. Die Ausdrucksweise des ist hier nur eine populäre, die Zeit umschreibende.Untergänge — was leider von manchen immer wieder übersehen wird — zu unsicher zu beobachtende Erscheinungen sind. Bei den wenigsten Völkern treffen wir deshalb auf den Gebrauch von Sternjahren und wenn überhaupt, so fällt dieser Gebrauch nur in die Epoche eines sehr primitiven Standes der Zeitrechnung und wird meist alsbald durch den Übergang auf den Mondlauf verdrängt. Da die Zeitrechnung nach dem Monde auch bei den Griechen sehr alt ist, kann ein eventuelles Plejadenjahr nur eine vorübergehende Phase in der Entwicklung der Zeitrechnung vorgestellt haben, und es ist wenig wahrscheinlich, daß der Jahresanfang mit dem Sommer sich von den Siriusaufgängen herschreiben sollte. Viel eher haben die klimatischen Abstufungen des Landes zu den sehr verschiedenen Jahresanfängen geführt, welche wir in den einzelnen Staaten Griechenlands gebraucht sehen. Bei der Erörterung, wieviel Jahreszeiten die Griechen gehabt haben, mußte für die alte Zeit angenommen werden (S. 310 f.), daß man nur die kalte und die warme Jahreszeit benannte und also eigentlich mit Halbjahren (des Naturjahrs) rechnete. Eine ehemalige Halb Jahrrechnung auf den unteren Stufen der Entwicklung des Zeitsinns haben wir in unserem Werke bei verschiedenen Völkern als wahrscheinlich notiert. Existierten solche rohe Halbjahre in der vorhistorischen Zeit bei den griechischen Stämmen, so erklärt sich der spätere sehr verschiedene Anfang ihrer Volljahre daraus, daß man die beiden die Jahreszeiten umfassenden Halbjahre verschieden miteinander verband, vom Winter an rechnete und den Sommer folgen ließ oder die umgekehrte Verbindung annahm oder daß man Halbjahre wie Herbst—Frühling und Frühling—Herbst hatte. Im § 198 habe ich bei den nichtattischen Monatsnamen durch eine beigesetzte (1) angegeben, welcher Monat in den einzelnen Staaten der Anfangsmonat des Jahres war. Danach können wir bei den nichtattischen Griechen etwa folgende Jahresanfänge unterscheiden:
1) Für Korinth, Syrakus, Herakleia, Knidos, Thera u. a. wird ebenfalls Herbstbeginn des Jahres vermutet. Kerkyra soll das Jahr mit dem Frühling angefangen haben.
Für die oben erwähnte Meinung, daß es in Griechenland ehemals üblich gewesen, das Naturjahr nach Halbjahren zu rechnen, spricht auch, daß der Schaltmonat von den meisten Stämmen nicht an das Ende des Jahres, sondern ans Ende des ersten Halbjahrs gesetzt wurde (s. § 198). Als man nämlich von dem rohen Naturjahre auf die Mondrechnung und zum Teil auf andere Jahresanfänge überging und die Übereinstimmung der anfänglich primitiven Mondzyklen mit den Jahreszeiten durch Einlegung von Schaltmonaten zu erreichen suchte, war die natürliche Stelle für den Schaltmonat das Ende des ehemaligen Naturjahres.
Auch für die attische Zeitrechnung ist vermutet worden, daß das Jahr ehemals nicht mit dem Sommer, sondern mit dem Winter, dem Monat Gamelion angefangen worden sei. In der Annahme der Zeitgrenze, in welcher sich in Athen der Übergang vom Winter als Jahresanfang auf den Sommer (Hekatombaion) vollzogen hätte, wichen die Chronologen voneinander ab. Den Monat Gamelion als Jahresanfang nahmen schon
und an; der erstere setzte den Übergang ungefähr in die vermutete Zeit der Errichtung der großen Panathenäen (unter 566 v. Chr.), während keine bestimmte Grenze angab. und glaubten, der Monat Gamelion habe in der ganzen alten Zeit bis auf (432 v. Chr.) als der Jahresanfang gegolten; eine teilweise Widerlegung ihrer Aufstellungen unternahm . 1862 hat wiederum die Zeit s als Periode des Übergangs vom Gamelion zum Hekatombaion geltend zu machen versucht. und dagegen legten den Übergang in die weit zurückliegende Zeit; der erstere sprach sich vermutungsweise1, der andere bestimmt dafür aus, daß mindestens zur Zeit des , 683 v. Chr., die Athener ihr Jahr mit dem Gamelion angefangen hätten. setzte den Jahresbeginn mit dem Sommer in die Zeit s, unter Begründungen, die oben (S. 345) schon erwähnt wurden. hatte aber bereits 1816 gezeigt2, daß um 490 v. Chr. der Anfangsmonat des attischen Jahres der Hekatombaion gewesen sein muß, und späterhin neigte er ganz zu der Ansicht, daß auch in der Zeit vor 490 v. Chr. immer der Hekatombaion als Anfangsmonat gegolten habe. Dieselbe Meinung vertrat besonders nachdrücklich auch .Gegen die Beweisgründe, welche
und für den Jahresanfang mit dem Gamelion angegeben haben, nämlich die Er-1) Handb. I, S. 288. 369.
2) In einem Verzeichnis der Vorlesungen der Berliner Universität, Sommerhalbjahr 1816; vgl. Mondzykl. I, S. 65 f.
wähnung der Regierungszeit des Archon Aratea progn. v. 38 f.), machte schon einige Bedenken geltend. Im wesentlichen dieselben Argumente Dodwells hat viel später wiederholt; hat sich die Mühe gegeben1, diese haltlosen Konstruktionen nochmals zu widerlegen. Eine besondere Entdeckung glaubte 1897 gemacht zu haben: solange die Griechen eine Oktaëteris hatten, nämlich bis Ol. 89, 2 (= 423 v. Chr.), sei der Monat Thargelion der Anfangsmonat des Jahres gewesen, hierauf von Ol. 89, 3 bis 93, 1 (= 408 v. Chr.) der Skirophorion, und erst seit Ol. 93, 2 (= 407 v. Chr.) der Hekatombaion. Auf diese Hypothese komme ich gelegentlich der Erörterung der Oktaëteris im § 215 zurück. — Die wichtigsten Argumente, welche beweisen, daß der Hekatombaion schon in der Zeit vor Meton der Anfangsmonat des Jahres war, sind etwa folgende: 1) s Nachweis, daß die Schlacht bei Marathon (Ol. 72, 3 = 490 v. Chr.) im Monat Metageitnion (dem zweiten des Jahres) um die Zeit nach dem Vollmonde geschlagen worden ist2. Die neunte Phyle, die Aiantis (s. § 199) hatte in diesem Jahre die erste Prytanie, und der Beschluß über den Auszug des Heeres wurde noch unter dieser ersten Prytanie, d. h. im Anfangsmonat des Jahres gefaßt. Da die Schlacht nicht lange nach dem Ausrücken des erfolgt sein kann, so wird sie höchstens nach dem Vollmonde des zweiten Monats stattgefunden haben. Damals war also der Hekatombaion schon der Anfangsmonat des attischen Jahres, 2) In dem Texte des Eleusinischen Steuerdekretes, welches der Zeit Ol. 83, 3 oder 83, 4 (446 oder 445 v. Chr.) angehört, wird als bevorstehend die neunte Prytanie angegeben und der Monat Hekatombaion auf den Monat des nächsten (neuen) Jahres bezogen3, woraus hervorgeht, daß der Hekatombaion um 446 v. Chr. der Anfangsmonat war. 3) Der dritte messenische Krieg (Ol. 79, 1 = 464 v. Chr.) brach nach der Feier der olympischen Spiele, d. h. im Sommer aus, unter dem attischen Archon , noch im 4. Jahre des spartanischen Königs 4. In Sparta fing man das Jahr mit dem Herbste an (s. S. 346), demnach müßte der Archon schon vor dem Herbst, im Sommer, d. h. mit dem Jahresanfangsmonat Hekatombaion sein Amt übernommen haben. — Diese Gründe reichen wohl aus, um zu zeigen, daß wenigstens im ganzen
(Ol. 87, 1) durch (II 2) und eine Stelle des (1) Hdb. d. gr. Chron., S. 388—396.
2) Mondzykl. I, S. 66—71.
3) Die Worte der Inschrift μῆνα δὲ ἐμβάλλειν Ἑϰατονβαιῶνα τὸν νέον ἄρχοντα sind nach (Neue Jahrb. f. klass. Philol., 131. Bd., 1885, S. 681—744) so zu verstehen, daß der neue Archon einen Monat, nämlich den Hekatombaion zugeben, d. h. als Zahlungs- oder Erfüllungsfrist bewilligen solle.
4)
, Kimon 16 (vgl. XI 70, IV 24).5. Jahrhundert das attische Jahr mit dem Hekatombaion begann. Daß diese Art Jahresanfang aber noch erheblich weiter zurückgeht, wahrscheinlich bis auf den Anfang der historischen Epoche, darin stimmen die neueren Chronologen mehr und mehr überein.
Zu der Zeit, als Kaiser § 201), deren Anfangspunkt auf Ol. 222, 4 = 112 n. Chr. setzte. Die Inschriften, welche , und benutzten, wurden jedoch von anderen ( , ) als nicht für diese Hypothese des verschobenen Jahresanfangs sprechend hingestellt; die Gegner zeigten, daß es sich in jenen Inschriften nur um Akte der Epheben handle, welche alljährlich zu einer bestimmten Zeit, nämlich im Boëdromion, vorgenommen wurden, und daß solche ephebische Monatsfolgen mit dem Boëdromion als erstem Monat ganz erhebliche Zeit vor , sogar schon unter und vorkommen. In neuerer Zeit sind wieder einige Chronologen der Jahresanfangverschiebung geneigter geworden, namentlich seit der Auffindung einer Prytanieninschrift i. J. 1871. Dieselbe1 bezieht sich auf das 15. Jahr nach dem ersten Besuche s in Athen und enthält die Gleichung Gamelion = VI. Pryt. Das Jahr des ersten Hadrianbesuches steht zwar nicht fest, konnte aber mit Hilfe mehrerer Inschriften von auf 124 oder 125 n. Chr. gesetzt werden; danach gehört die obige Inschrift in das Jahr 138 oder 139. Außerdem ergab sich, daß das 15. Jahr s (der -Ära, s. oben) 13 Monate gehabt hat, also ein Schaltjahr war. Nun müssen wir uns zwar erinnern, daß im 15. Jahre s nicht mehr 12 Phylen, sondern 13 existierten (s. S. 338), demnach für die Beurteilung der Gleichung Gamelion = VI. Pryt. auch 13 Prytanien in Betracht kommen. Aber weder ein Gemeinjahr noch ein Schaltjahr mit Sommeranfang genügt bei 13 Prytanien der genannten Gleichung;
in Griechenland war, sollen die Athener ihren Jahresanfang auf den Monat verschoben haben, in welchem der Kaiser in der Stadt Athen zur Besichtigung der Mysterien anlangte, auf den Monat Boëdromion. Der Urheber dieser Hypothese ist ; derselbe stützte sich auf 2 Inschriften aus jener Zeit, in welchen die Zählung der Monate vom Boëdromion ausgeht, und nahm an, daß die zu Ehren des Kaisers vollzogene Veränderung des Jahresanfangs während des ersten Besuches des Kaisers Ol. 227, 3 = 131 n. Chr. ausgeführt worden sei. Ferner wurden die Jahre „von der Ankunft des göttlichen “ gezählt, d. h. man schuf eine neue Ära (Hadrians-Ära, neuattische Ära, s.1) Corp. Inscr. Att. III 1, no. 1023, p. 211: [Ἐπὶ ἄρχ]οντος Πραξαγόρου τοῦ [Τει]μοϑέου Θοριϰίου, ει´ ἀπὸ τῆς πρώτης ϑεοῦ Ἁδριανοῦ (ε)ἰς Ἀϑήνας ἐπιδημίας, μηνὸς Γαμηλιῶνος, ἐπὶ τὴς Αἰγηΐδος ς´πρυτανείας .....
bei ersterem fällt der Gamelion in die VII. und VIII., beim Schaltjahr ganz in die VIII. Pryt. Dagegen wird der Gleichung durch die Voraussetzung eines mit dem Herbste, dem Boëdromion anfangenden Schaltjahrs völlig genügt. S. 344) das obige Schaltjahr in 6 erste Prytanien zu je 36 Tagen und in 7 weitere zu 24 Tagen zerlegen will, eine Ausflucht, welche wohl die wenigsten zuzugeben geneigt sein werden. Im ganzen darf man sich aber der Jahresanfangverlegung gegenüber noch zuwartend verhalten, bis diese Hypothese durch weitere Inschriften der hadrianischen Zeit bestätigt wird. Die Maßregel, welche tief in den vielhundertjährigen Gebrauch, das Jahr mit dem Hekatombaion anzufangen, einschnitt, konnte sich in offiziellen Dokumenten nur einige Zeit erhalten.
und nahmen deshalb an, daß in der Tat um die oben genannte Zeit der Monat Boëdromion den Anfangspunkt des bürgerlichen attischen Jahres gebildet haben muß. Etwas zurückhaltend verhielt sich dieser Hypothese gegenüber 1, ablehnend , welch letzterer, in der Vertretung seiner Theorie der unregelmäßigen Prytanienverteilung (s.1) Chronologie, S. 524 A. 1.