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[426]

C) Die attische Zeitrechnung vom 5. Jahrh. v. Chr. ab.

§ 214. Geltung der Oktaëteris.

Von den älteren Chronologen entschieden sich Dodwell und Corsini dafür, daß der Zyklus des Meton im Jahre seiner Aufstellung Ol. 87, 1 = 432 v. Chr. in Athen eingeführt worden sei. Scaliger vermutete, die Aufnahme des Zyklus in den attischen Staatskalender sei nicht lange nach der Aufführung der aristopha­nischen „Wolken“ erfolgt (dieses Stück wurde Ol. 89, 1 aufgeführt). Ideler1 entschied sich für das vorher­genannte Jahr 432 v. Chr. als Jahr des Inkraft­tretens des Metonschen Zyklus. Voemel2 bemerkte indessen schon, ohne die Sache weiter zu verfolgen, daß der Idelersche Entwurf des Zyklus zu der vom Scholiasten des Aristophanes für den Boëdromion Ol. 88, 4 (= 425 v. Chr.) überlieferten Mondfinsternis nicht stimme (s. das von mir S. 409 zur Reduktion Metonischer Daten angesetzte Beispiel). 1846 zeigte Böckh3 an einer zu Athen gefundenen In-


1) Handb. d. math. u. techn. Chron. I 322—324.

2) Heidelberger Jahrb., 1846, S. 774.

3) Über zwei attische Rechnungsurkunden (Abhdlg. Berl. Ak. d. W. 1846 S. 355 f.).

[§214, Geltung der Oktaëteris. 427]

Schrift, welche ein Verzeichnis der Gelder enthält, die der Staat aus dem heiligen Schatze der Athene zwischen Ol. 88, 3 bis 89, 2 ent­liehen hatte, daß der Zyklus Metons zu jener Zeit noch nicht ein­geführt sein konnte. Die erhalten gebliebenen Bruchstücke der Ur­kunde1 (die Abrechnung reichte ursprünglich von Ol. 86, 4 bis 89, 2) geben außer den Namen der Archonten und Schatzmeister das Datum der Entleihung, das Kapital und den zu entrichtenden Betrag an Zinsen. Unter dem Archon Stratokles d. i. Ol. 88, 4 (= 425 v. Chr.) sind z. B. zwei Zinszahlungen verzeichnet. Nach der ersten wurden am Tage 3 Pryt. IV dreißig Talente (= 180 000 Drachmen) entliehen, die Zinsen dafür betrugen 5910 Drachmen. Rangabé fand, unter der Annahme, die Zinsen seien für 985 Tage, bis letzten Skiroph. Ol. 89, 2, berechnet, den Zinsfuß (der angewendet wurde)  1300 Drachme täglich für je 100 Drachmen. Böckh hat dieses Ergebnis angenommen, mit der Änderung, daß er den Zahltag nicht mit in die zinstragenden Tage einrechnet, und hat denselben Zinsfuß und die ihm entsprechenden Tage auch bei den anderen von der Urkunde notierten Zahlungen nachgewiesen (s. oben S. 341). Aus seinen Untersuchungen resultieren die Jahreslängen von

Ol.88, 3= 355Tage
88, 4= 354
89, 1= 384
89, 2= 355

In Idelers Entwurf des Metonschen Zyklus (s. oben 403) sind diese Jahreslängen aber 354, 384, 354, 355 Tage. Ferner zeigte Böckh aus Bruchstücken einer anderen Zinsabrechnung2 aus der Zeit Ol. 91, 3 bis 92, 2, daß dort derselbe Zinsfuß (wie oben) zugrunde liegt und daß diese 4 Jahre sehr wahrscheinlich 1476 Tage faßten; nach Ideler jedoch wäre diese Penteteris (414 Juni 28 — 410 Juli 14) 1477 Tage. Böckh und Redlich schlossen deshalb, daß der Metonsche Zyklus bis Ende Ol. 92, 2 in Athen nicht eingeführt worden sein könne, und Redlich versuchte eine Oktaëteris für die Jahre Ol. 87, 2 bis 92, 3 aufzustellen. Da in der Oktaëteris, wenn man die von Geminos angegebene Schaltung annimmt, die 8 Jahre in der Folge 354, 354, 384, 354, 384, 354, 354, 384 stehen (s. oben S. 381 f.), so konnte unter den von Böckh der Jahreslänge nach bestimmten Jahren Ol. 88, 3—89, 2 das Schaltjahr Ol. 89, 1 entweder das dritte oder achte Jahr einer Oktaëteris sein; die Entscheidung, ob das dritte oder achte, gab die Beschaffenheit des folgenden Jahres Ol. 89, 3. Nun


1) Corp. Inscr. Att. I, no. 273, p. 146.

2) S. Monatsber. d. Berl. Ak. d. W., 1853, S. 557 ff.

[428 XI. Kapitel. Zeitrechnung der Griechen.]

setzt Thukydides (V, 19. 20) den unter dem Archon Alkaios (Ol. 89, 3 = 422 v. Chr.) geschlossenen Frieden des Nikias auf Elaph. 6 v. E. (= 25. Elapheb.) und bezeichnet die Jahreszeit, in welcher der Friede zustande kam, als „Ausgang des Winters, gleich im Anfang des Früh­lings“; den unter Archon Isarchos (Ol. 89, 1 = 424 v. Chr.) am 14. Elapheb. abgeschlossenen Waffenstillstand (IV 118) rechnet er zu den Ereignissen des damaligen Frühsommers. Nehmen wir zwischen den Daten 14. Elaph., Ol. 89, 1 und 25. Elaph. Ol. 89, 3 ein Gemein­jahr und ein Schaltjahr an, so erhalten wir als Differenz 354 + 384 + 11 = 749 Tage oder 2 Sonnenjahre und 19 Tage. Der 25. Elaph. würde also um 19 Tage gegen das Sommersolstiz näher liegen als das andere Datum, der 14. Elaph., und es wäre nicht einzusehen, wie Thukydides den 25. Elaph. in den „Ausgang des Winters“, dagegen den 14. Elaph. schon in den Frühsommer setzen kann. Em. Müller hat hieraus abgeleitet, daß das Jahr Ol. 89, 3 kein Schaltjahr sein konnte, sondern als Gemeinjahr betrachtet werden müsse (s. das Reduktions­beispiel oben S. 408). Dieser Nachweis ist allerdings kein absoluter, aber ein sehr wahrschein­licher1. Folgte also auf das Ge­meinjahr Ol. 89, 2 noch ein Gemeinjahr Ol. 89, 3, so war Ol. 89, 1 das achte Jahr einer Oktaëteris. Redlich gründete sonach auf der Basis der bisher genannten Jahre Ol. 88, 3—89, 3 den Entwurf einer Oktaëteris, welcher nach der aus dem Gesagten sich ergebenden Regel konstruiert war, daß in den geraden Olympiaden jedes zweite, in den ungeraden jedes erste und vierte Jahr ein Schaltjahr gewesen sei. Böckh nahm Redlichs Resultate, jedoch nur in ihrer Hauptsache, an und entwarf den Zyklus der Oktaëteris von 434 v. Chr. bis zum An­fang der Kallippischen Periode. Die Basis dieser Oktaëteris bilden folgende Punkte: 1. Das Finanzjahr der Athener (Rechnungslegung, Staats­schulden, Zinsen etc.) war 4jährig und lief vom Jahre der großen Panathenäen (s. oben S. 361) bis wieder zu diesen d. h. vom dritten Olympiadenjahr bis zum Ende des zweiten der folgenden


1) Über die bisweilen einander widersprechende Behandlung der Zeitrechnung in dem Geschichtswerke des Thukydides sind sehr verschiedene Theorien auf­gestellt worden. Einige sehen darin eine Rechnung nach Mondjahren, andere nach Sonnenjahren, und E. Müller sucht nach einem besonderen System, das sich Thukydides selbst geschaffen hätte. Es scheint, daß man aus dem Werke hat viel zu viel herausholen wollen. Die Kalenderdaten (von Verträgen, Friedensschlüssen usw.), die Thukydides gibt, sind sicher nach dem attischen Jahre gegeben. Die Jahresintervalle (10 Jahre, 27 Jahre u. dgl.) brauchen nicht „reduziert“ zu sein; vermutlich sind sie nur ungefähre. Dazu reichte die Kenntnis des 365tägigen Jahres aus. Die Angaben über Jahreszeiten (beginnender Sommer usw.) beziehen sich auf das Naturjahr, eine genaue Normierung nach dem Metonschen Sonnen­kalender liegt ihnen nicht zugrunde. Thukydides kannte wahrscheinlich solche Parapegmen gar nicht.

[§ 214. Geltung der Oktaëteris. 429]

Olympiade. In Anbetracht der Wichtigkeit dieser Penteteris glaubte Böckh auch die attische Oktaëteris nach solchen Penteteriden ordnen und an sie anknüpfen zu sollen. Nun hatte er den Anfang der Solonischen Oktaëteris auf Ol. 46, 3 gesetzt (s. oben S. 379); es lag somit die Annahme nahe, auch den Anfang der attischen Oktaëteris ebenfalls an das 3. Jahr einer Olympiade zu heften; er hat danach das um 40 Olympi­aden spätere Jahr d. i. Ol. 86, 3 als erstes Jahr des panathenäischen Oktaëteriden­zyklus angesetzt. 2. Der Epochetag des Zyklus bestimmt sich von dem Jahre Ol. 87, 1 aus, dem Anfangs­punkte des Metonschen Zyklus. Da, wie wir gesehen, der 13. Skiroph. Ol. 86, 4 der 27. Juni war (s. oben S. 395), so folgt, wenn man den Skirophorion 29tägig annimmt, daß der 1. Hekat. Ol. 87, 1 = 13. Juli (vom Abend an gerechnet). Die Schaltjahre der panathenäischen Oktaëteris setzt Böckh in das 3., 6. und 8. Jahr; rechnet man also mit zwei Gemeinjahren = 708 Tagen vom 13. Juli Ol. 87, 1 auf das Epochejahr Ol. 86, 3 zurück, so erhält man das Ausgangsdatum des Zyklus 434 v. Chr. 5. August. 3. Diese Oktaëteris wich schon im 3. Zyklusjahre d. i. Ol. 87, 1 = 432 v. Chr. um drei Tage vom Monde ab, da der 1. Hekat. auf den 16. Juli fallen sollte (s. den Anfangstag des Metonschen Zyklus). Nach Böckh haben die Athener, um die Abweichung der Oktaëteris zu beseitigen, Ol. 88, 3 und Ol. 89, 2 je einen Zusatztag eingeschoben. Jedoch entfernte sich der Jahresanfang zu weit von der Sonnenwende und begann Ol. 88, 3 erst am 7. August (in Metons Zyklus 10. oder 11. Juli, s. oben S. 406). Durch die früher nicht eingelegten Zusatztage hatte sich diese Differenz noch gesteigert, und bald würden die Jahre um mehr als einen Monat nach der Sommerwende angefangen haben. Um die Zeit des peloponnesischen Krieges wurde daher die Auslassung eines Monats dringlich. Böckh war zweifelhaft, ob er diese Ausschaltung auf Ol. 89, 3 oder Ol. 89, 4 setzen sollte, glaubte aber, gestützt auf eine Stelle in dem „Frieden“ des Aristophanes, das Jahr Ol. 89, 4 bevorzugen zu müssen. Jenes Stück ist (vermutlich in der auf uns gekommenen Form) unter dem Archon Alkaios Ol. 89, 3 an den großen Dionysien (im Monat Elaphebolion, s. oben S. 362), nach dem Waffenstillstände (s. oben Thukydides) auf­geführt worden. In dem Stücke sagt Trygaios zu Hermes, Selene und Helios hätten einen Plan gegen die Götter von Hellas vor, sie verrieten Hellas an die Barbaren (Sterndiener), denn Selene und Helios seien deren Gottheiten. Hermes bestätigt dies1: „sie haben also von den Tagen schon längst welche wegge­stohlen“. Böckh versteht diese Stelle so, daß Selene und Helios den Zeitkreis (ϰύϰλος) zerstört und


1) v. 414: ταῦτ᾽ ἄρα πάλαι τῶν ἡμερῶν παρεϰλεπτέτην ϰαὶ τοῦ ϰύϰλου παρέτρωγον ὑφ᾽ ἀρματωλίας.

[430 XI. Kapitel. Zeitrechnung der Griechen.]

Tage beiseite gebracht haben, nämlich die auszumerzenden, die das lunarische Jahr nötigt wegzulassen. Aristophanes hätte diesen Aus­spruch in seinem Stücke nicht angebracht, wenn damals die Ab­weichung der Zeitrechnung vom Himmel nicht eine öffentliche, bekannte Sache gewesen wäre. Böckh läßt danach die Ausmerzung eines Monats im Jahre Ol. 89, 4 stattfinden und macht dieses Jahr, das im Zyklus ein Schaltjahr war, zu einem Gemeinjahr von 355 Tagen. 4. Von Ol. 90, 1 (= 420 v. Chr.) ab hätten die Athener, da jetzt der Jahres­anfang (4. Juli) mit dem Neumonde (die Sichel konnte am 3. Juli schon sichtbar sein, s. Bd. I S. 552) und den Neujahrgrenzen stimmte, zu Metons Zyklus übergehen können. Man blieb aber — die Zins­rechnungen von Ol. 91, 3 — 92, 2 (s. oben) sprechen dagegen — bei der Oktaëteris. Jedoch verbesserten die Athener ihre Zeitrechnung jetzt. Es war ihnen sehr wahr­scheinlich bekannt, daß man die Oktaëteris durch Zusetzen von 3 Tagen innerhalb von 16 Jahren (der Hekkaidekaëteris, s. oben S. 383) mit dem Mondlaufe besser überein­stimmend machen könne. Die 3 Zusatztage innerhalb zweier Oktaëteriden denkt sich Böckh in der Weise verteilt, wie oben S. 384 gesagt wurde: man gab jedem ersten Jahre aller Oktaëteriden 355 Tage statt 354, und in jeder zweiten Oktaëteris dem 5. Jahre ebenfalls 355 Tage; so entstehen in jeder 16jährigen Periode — bei Annahme der oben schon angegebenen Schaltjahre 3, 6, 8 — vier Penteteriden, die erste hat 1447, die zweite 1476, die dritte 1447 und die vierte 1477 Tage. 5. In dieser Weise hat man die verbesserte Oktaëteris oder vielmehr die Hekkaidekaëteris gebraucht bis Ol. 112, 2 = 331 v. Chr. Das nächste Jahr Ol. 112, 3 würde mit dem 28. Juli, einen Monat nach der Sonnenwende angefangen haben; man schaltete daher in dem Schaltjahre Ol. 112, 2 schon den Monat aus und konnte Ol. 112, 3 mit dem 28. Juni 330 v. Chr. beginnen. Von da an galt in Athen der Zyklus Metons (die Schaltung nach Ideler vorausgesetzt.) — Nach diesen Erläuterungen wird man die Oktaëteris von Böckh verstehen, die ich nach seinem Entwurfe1 bis 330 v. Chr. am Schluß dieses Paragraphen folgen lasse. 1856 hat Böckh die Schaltordnung 3, 5, 8 (gegen seine frühere 3, 6, 8) für zulässig erklärt- und die Ausschaltung eines Monats im Jahre Ol. 89, 3 (statt 89, 4), welches dann ein Schaltjahr (das 5. der Oktaëteris) hätte sein müssen, für nicht ganz unmöglich gehalten.

A. Schmidt lehnt, ebenso wie Böckh, die sofortige Einführung des Metonschen Zyklus ab und setzt dafür die Oktaëteris an; um 342 v. Chr. gingen die Athener zum Gebrauch eines modifizierten


1) Mondzykl. I S. 27.

2) Mondzykl. II S. 8—9.

[§214. Geltung der Oktaëteris. 431]

Metonschen Zyklus über (die Gründe dafür s. § 216). Schmidt nimmt wie Böckh als Ausgangspunkt die von Ol. 46, 3 heraufgerechnete 21. Oktaëteris d. i. Ol. 86, 3, 1. Hek. = 5. August 434 v. Chr. an. Während jedoch bei Böckh das 1. und 4. Jahr der ungeraden Olym­piaden und das 2. der geraden ein Schaltjahr ist, trifft Schmidt die Anordnung, daß das 3. Jahr der ungeraden Olympiaden (statt des 4.) zum Schaltjahre wird. Damit kommt seine Schaltordnung auf die von Geminos genannte (3., 5., 8. Jahr der Oktaëteris) hinaus. Folgendes Beispiel macht den Unterschied deutlich: die mit * versehenen Jahre sind Schaltjahre, die unbezeichneten sind Gemeinjahre.

BöckhSchmidt
Jahr d. Okt. 1Ol. 96, 3 Jahr d. Okt. 1Ol. 96, 3 
22
397, 1*397, 1*
44
553*
64*6
798, 1 798, 1 
82*82*

Beide Anordnungen unterscheiden sich also betreffs des 4. resp. 3. Jahres der Olympiade als Schaltjahr. Nach der zweiten muß auch Ol. 89, 3 ein Schaltjahr sein. Wie oben bemerkt, hat Böckh selbst die Ausschaltung eines Monats im Jahre Ol. 89, 3 für möglich gehalten. Diese Möglichkeit verwandelt Schmidt in Gewißheit, um in seinem eigenen System für das Schaltjahr Ol. 89, 3 den Schaltmonat ausfallen zu lassen; dieser Ausfall sei nach Aristophanes (s. Punkt 3 der oben angeführten Grundsätze) damals schon vorbereitet gewesen. Ferner hat Em. Müller gezeigt (s. oben S. 428), daß das Jahr Ol. 89, 3 ein Gemeinjahr war; das gleiche folgt aus der Angabe des Thuky­dides über die Dauer1 des peloponnesischen Krieges „27 Jahre und nicht viele Tage“. War das Jahr Ol. 89, 3 ein Schaltjahr der Oktaëteris, so muß auch Ol. 99, 3 ein solches gewesen sein. Dies soll aus den Daten bei Ptolemaios (Almag. IV 10) über die drei Mond­finsternisse unter dem Archon Phanostratos Ol. 99, 2 und Euandros Ol. 99, 3 hervorgehen. Diese Finsternisse ergeben2 für Ol. 99, 3


1) Schmidt schließt dies aus den Angaben Ende Anthest. Ol. Sl, 1 als Anfang und (etwa 16.) Munych. Ol. 93, 4 als Ende des Krieges. Sonnenjahre vorausgesetzt, ist die Zwischenzeit der (nicht ganz präzisen) Daten ungefähr 4. April 431—24. April 404.

2) Die erste Mondfinsternis „im Poseideon“ (383 Dezb. 23) begann [Ptolem. gibt nur die Zeit des Beginns] am Morgen (Athen 5h 42m), die zweite „im Skirophorion“ (382 Juni 18, Athen 6h 14m) am Abend, die dritte „im ersten Poseideon[Fortsetzung der Fußnote]

[432 XI. Kapitel. Zeitrechnung der Griechen.]

(= 382 v. Chr.) ein Schaltjahr; freilich hielten Ideler, Redlich und E. Müller die Daten für eine spätere, von irgend einem Astronomen vorgenommene Reduktion auf Metons Zyklus, oder wie Aug. Mommsen glaubte, auf den Zyklus des Kallippos. Böckh weist aber darauf hin, daß die Datierungen besser der Oktaëteris genügen, als dem Metonschen Zyklus (sie fallen richtig auf den Vollmondstag, den 14. der Monate, s. S. 431 Anm. 2). Da damals die Oktaëteris hinreichend richtig (nach Böckhs Entwurf) mit dem Himmel lief, hätten die Athener keinen Grund gehabt, ein anderes System der Zeitrechnung anzunehmen; in seiner zweiten Abhandlung über die Mondzyklen1 er­klärte er das Jahr Ol. 99, 3 für ein Oktaëterisches Schaltjahr. Die Datierung von Ptolemaios setzt die dritte Mondfinsternis (Ol. 99, 3) in „den ersten Monat Poseideon“ (μενὸς Ποσειδεῶνος τοῦ προτέρου); dies läßt darauf schließen, das jenes Jahr auch einen zweiten Poseideon hatte d. h. ein Schaltjahr war. Schmidt war um so bereitwilliger, das Jahr Ol. 99, 3 als Oktaëterisches Schaltjahr zu nehmen, als er für den Metonschen Zyklus die Schaltung 2, 5, 8, 11, 14, 16, 18 auf­gestellt hatte und danach — Ol. 99, 3 ist in Idelers Entwurf ein 13. (in Aug. Mommsens ein 14.) Jahr und Schaltjahr — in seinem Metonschen Zyklus Ol. 99, 3 kein Schaltjahr sein konnte. Ferner findet er, abgesehen von dem Ausfall des Schaltmonats von 30 Tagen im Jahre Ol. 89, 3, noch drei Zusatztage für die Jahre Ol. 87, 2, Ol. 89, 3 und Ol. 89, 4 notwendig (diese Jahre haben 355 Tage statt 354); die Penteteriden des Zyklus ändern sich gegen die von Böckh vermöge der anderen Schaltung: in den ungeraden Olympiaden folgen sich die Penteteriden 1447 und 1476 Tage, in den geraden Olympiaden 1448 und 1476 Tage. Das Gesagte wird hinreichen, den Aufbau der Schmidtschen Oktaëteris zu verstehen, welche unten neben der von Böckh folgt.

Gegen die Konstruktion der Oktaëteris von Böckh und Schmidt kann man etwa folgendes einwenden: 1. Die Annahme, das erste Jahr des Zyklus mit dem dritten Jahre einer Olympiade, und zwar 86, 3 anfangen zu lassen, ist hypothetisch, und außerdem beruht der hierzu benützte Ausgangspunkt Ol. 46, 3 selbst wieder auf einer Hypothese. 2. Das Schaltungsprinzip 3, 6, 8 ist weniger wahrscheinlich als 3, 5, 8, und in dieser Beziehung hat Schmidts Konstruktion den Vorzug, daß sie sich auf die von Geminos überlieferte Schaltung stützen kann.


[Anfang der Fußnote] (382 Dezbr. 12, Athen 7h 49m) abends. Die Reduktion mittels der Tabellen S. 403 u. 406 ergibt für Idelers Zyklus 14. Poseid., 14. Skiroph., 14. Poseid. I, mit Böckhs Oktaëteris 14. Poseid., 13. Skiroph., 14. Poseid. Die Beobachtungen bei Ptolemaios sind vielleicht nicht aus Babylon, die erste und dritte Finsternis war übrigens in Athen dem ganzen Verlaufe nach, die zweite von der Mitte der Verfinsterung ab sichtbar.

1) Mondzykl. I 41, II 9. 155.

[§ 214. Geltung der Oktaëteris. 433]

3. Die Aufstellung der Jahre Ol. 91, 3 — 92, 2 nach Böckh ist unsicher. 4. Die Verteilungsweise der Zusatztage (daß ein 29tägiger Monat zum vollen wird) scheint bei Böckh fraglich, da öfters innerhalb eines Jahres die Monatsfolge 30, 30, 30 entsteht; Schmidt hat deshalb in seine Oktaëteris einen ununterbrochenen Wechsel der vollen und hohlen Monate eingeführt1, ob mit Recht, ist ebenfalls zweifelhaft, da die Regel des Glaukippos von anderen nicht als sicher betrachtet wird (s. S. 332). 5. Die Lage des 1. Hekat. in manchen Jahren greift in beiden Systemen bis zu 8—10 Tagen dem Datum des Sommersolstiz vor, wodurch die Neujahrsgrenze öfters erheblich überschritten er­scheint. — Zu denen, welche keine sofortige Einführung des Metonschen Zyklus annahmen (Ol. 87, 1), gehören auch Em. Müller und Greswell. Der erstere war schwankend, zu welcher Zeit der Zyklus in den öffentlichen Gebrauch gekommen sein könnte; anfänglich nahm er Ol. 91, 4 oder die Zeit zwischen Ol. 89, 3 — 99, 3 an, später2 bezweifelte er überhaupt den Gebrauch des Zyklus. Greswell läßt den Metonschen Zyklus sieben Jahre nach dem Parapegma, unter Archon Stratokles 425 v. Chr. eingeführt sein.

Aug. Mommsen hat, trotz vieler Schwierigkeiten, die sich er­geben, die Einführungs­zeit des Metonschen Zyklus in das Jahr Ol. 89, 3 (= 422 v. Chr.) gesetzt. Für die Zeit vorher nimmt er eine Oktaëteris an, die vom Jahre Ol. 85, 3 an läuft; er glaubt nämlich, der Grund­satz Böckhs, die Oktaëteriden mit den geraden Olympia­den zu be­ginnen, sei unrichtig, es müsse die ungerade Olympiade, das dritte Jahr derselben angenommen werden. Diese Herleitung vom delphischen Kalender, dessen Epoche die gleiche wie in Athen gewesen sein soll, ist aber um nichts sicherer als die Epoche von Böckh und Schmidt. Da Mommsen gleichzeitig die Jahreslängen der von Böckh aus den Zinsrechnungen nachgewiesenen Jahre Ol. 88, 3 — 89, 2 sowie Ol. 87, 1


1) Der Monat Poseideon II hat daher in diesem System nicht überall 30 Tage, sondern 29 oder 30, je nachdem ein voller (30tägiger) oder hohler (29tägiger) Poseideon I vorherging. Es folgen in allen Jahren 29- und 30tägige Monate auf­einander; der für die 355- und 384tägigen Jahre nötige Zusatztag wird am Schluß des Jahres, im Skirophorion beigefügt (Schmidt stützt sich auf die Überlieferung des Glaukippos). Nach je einer Periode von 16 Jahren läuft diese Folge von Monaten wieder wie früher. Das erste Jahr der Periode (355 Tage) fängt mit einem hohlen Heka­tombaion an, das zweite (354 Tage) vermöge des angezeigten Wechsels mit einem hohlen Hekatom­baion, das 3. ebenfalls mit einem hohlen. Hohle Monate im Jahresanfang haben danach das 6., 7., 8., 12., 13. Jahr der Periode, vollen Hekatombaion haben das 4., 5., 9., 10., 11., 14., 15., 16. Jahr. So z. B. ist das Jahr Ol. 93, 1 das 11. Jahr der 16jährigen Periode oder das 3. der Oktaëteris, hat 384 Tage, beginnt mit einem 30tägigen Hekatombaion und hat einen 30tägigen II. Poseideon.

2) Paulys Realenzyklop. 1866, I 1054.

Ginzel, Chronologie II. 28

[434 XI. Kapitel. Zeitrechnung der Griechen.]

und 88, 2 als Schaltjahre1 akzeptiert, kommt er auf eine etwas sonderbar gestaltete Oktaëteris, in welcher das erste (Ol. 85, 3), vierte und siebente Jahr Schaltjahre sind.

Ich lasse nun die Oktaëteris von Böckh und Schmidt neben­einander folgen; die Jahre, welche einen Zusatztag haben, sind mit † bezeichnet, die Schaltjahre mit *, die Monate mit römischen Ziffern. Aug. Mommsens Oktaëteris von Ol. 85, 3—89, 2 setze ich nicht her, da man sich dieselbe nach den vorigen Bemerkungen selbst bilden kann; zu notieren ist nur, daß in dieser Oktaëteris die Gemeinjahre bis Ol. 86, 4 354 Tage, die Jahre Ol. 87, 2, 88, 3 und 89, 2 aber 355 Tage haben.

Oktaëteris nach Böckh n. Schmidt Oktaëteris nach Böckh n. Schmidt
Zykl.-
No.
Olym-
piade
Jahr-
Länge
Julian. Dat.
d. 1. Hekat.
Jahr-
Länge
1. Hek. Zyk.-
No.
Olym-
piade
Jahr-
Länge
Julian. Dat.
d. 1. Hekat.
Jahr-
Länge
1. Hek.
186, 3 354  434VIII5 354 VIII5 292, 4 354  409VII2 354 VII1
24 354  433VII24 354 VII24 393, 1 384* 408VI21 384*VI20
387, 1 384* 43213 384*13 42 354  407VII10 355 VII9†
42 354  431VIII1 355 VIII1† 53 355  406VI29† 384*VI29
53 355  430VII21† 384*VII22 64 384* 40518 354 VII17
64 384* 42910 354 VIII9 794, 1 354  404VII7 354 6
788, 1 355  42829† 354 VII29 82 384* 403VI26 384*VI25
82 384* 42719 384*18 13 355  402VII15† 355 VII14†
13 355  426VIII7 355 VIII6† 24 354  4014 354 3
24 354  425VII27 354 VII26 395, 1 384* 400VI23 384*VI22
389, 1 384* 42416 384*15 42 354  399VII12 354 VII11
42 355  423VIII4 355 VIII3† 53 354  3981 384*VI30
53 355  422VII25† 355 VII24† 64 384* 397VI19 354 VII18
64 355  42114† 355 13† 796, 1 354  396VII8 354 7
790, 1 354  4204 354 3 82 384* 395VI27 384*VI26
82 384* 419VI23 384*VI22 13 355  394VII16† 355 VII15†
13 355  418VII12† 355 VII11† 24 354  3935 354 4
24 354  4171 354 VI30 397, 1 384* 392VI24 384*VI23
391, 1 384* 416VI20 384*19 42 354  391VII13 355 VII12†
42 354  415VII9 354 VII8 53 355  3902† 384*2
53 354  414VI28 384*VI27 64 384* 389VI21 354 20
64 384* 41316 354 VII15 798, 1 354  388VII10 354 9
792, 1 354  412VII5 354 4 82 384* 387VI29 384*VI28
82 384* 411VI24 384*VI23 13 355  386VII18† 355 VII17†
13 355  410VII13† 355 VII12† 24 354  3857 354 V6

1) Ein wichtiges chronologisches Datum des Jahres Ol. 87, 1 ist der Über­fall von Plataia, welcher nach Thukydides II 3 unter dem Archon Pythodoros „beim Eintritt des Frühlings stattfand“ (nach Böckh 4. April, Mommsen 6. April); 80 Tage nach Plataia, „mitten im Sommer“ (Thukydides II 19) rückten die Peloponnesier in Attika ein, verwüsteten dort, zogen aber noch vor einer Sonnenfinsternis (3. August 431, s. Tafel II 1) wieder ab (Thukydides II 28). — Nach Aristoteles (Meteor. 16) war im Monat Gamelion ein Komet sichtbar, unter Eukles (Ol. 88, 2). Die Datierung stimmt mit Böckhs Zyklus (1. Gamel. = 11. Februar) nicht hin­reichend; s. hierüber Böckh, Mondzykl. I 30 und Mommsen, Chronol. 388.

[§ 215. Andere Systeme. 435]
Oktaëteris nach Böckh n. Schmidt Oktaëteris nach Böckh n. Schmidt
Zykl.-
No.
Olym-
piade
Jahr-
Länge
Julian. Dat.
d. 1. Hekat.
Jahr-
Länge
1. Hek. Zyk.-
No.
Olym-
piade
Jahr-
Länge
Julian. Dat.
d. 1. Hekat.
Jahr-
Länge
1. Hek.
399,1 384* 384VI26 384*VI25 7106, 1 354  356VIII6 354 VII15
42 354  383VII15 354 VII14 82 384* 3555 384*4
53 354  3824 384*3 13 355  35424† 355 23†
64 384* 381VI22 354 21 24 354  35313 354 12
7100, 1 354  380VII11 354 10 3107, 1 384* 3522 384*18
82 384* 379VI30 384*VI29 42 354  35121 354 20
13 355  378VII19† 355 VII18† 53 354  35010 384*9
24 354  3778 354 7 64 384* 349VI28 354 27
3101, 1 384* 376VI27 384*VI26 7108, 1 354  348VII17 354 16
42 354  375VII16 355 VII15† 82 384* 3476 384*5
53 355  3745† 384*5 13 355  34625† 355 24†
64 384* 373VI24 354 23 24 354  34514 354 13
7102, 1 354  372VII13 354 12 3109, 1 384* 3443 384*2
82 384* 3712 384*1 42 354  34322 355 21†
13 355  37021† 355 20† 53 355  34211† Von hier
ab modif.
Zyklus.
24 354  36910† 354 9 64 384* 341VI30
3103, 1 384* 368VI29 384*VI28 7110, 1 354  340VII19
42 354  367VII18 354 VII17 82 384* 3398
53 354  3667 384*6 13 355  33827†
64 384* 365VI25 354 24 24 354  33716
7104, 1 354  364VII14 354 13 3111, 1 384* 3365
82 384* 3633 384*2 42 354  33524
13 355  36222† 355 21† 53 354  33413
24 354  36111 354 10 64 384* 3331
3105, 1 384* 360VI30 384*VI29 7112, 1 354  33220
42 354  359VII19 355 VII18† 82 354  3319
53 355  3588† 384*8 13 355  330VI28†
64 384* 357VI27 354 26

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