Startseite Band II Inhalt Voriger § Ende Nächster § Register
[§157. Reduktion jüdischer Daten. Tafeln. 103]

§ 157. Reduktion jüdischer Daten, Tafeln.

Zur Verwandlung gegebener jüdischer Daten in das entsprechende julianische oder gregorianische Datum sind viele Wege angegeben worden. Dieselbe kann natürlich nur bei Daten des Hillelschen Kalenders vorgenommen werden, da, wie aus früheren Auseinander­setzungen ersichtlich, die Schaltungsmethode und der Monats­beginn der altjüdischen Zeitrechnung unbekannt ist. Was eine direkte Be­rechnung anbelangt, die ohne das Hilfsmittel von Tafeln ausgeführt werden soll, so verdient Idelers Reduktionsregel ihre Beachtung1. Dieselbe beruht auf dem Voreilen des Moled Tišri im julianischen Jahre von einem Zyklusjahre zum andern innerhalb des 19jährigen Mondzyklus. Neunzehn julianische Jahre haben 6939d 18h, der Mond­zyklus enthält aber nur 6939d 16h 595ch, also eilt der Moled Tišri im julianischen Jahre nach Ablauf eines Mondzyklus um 1h 485ch vor. Man berechnet nun, unter Berücksichtigung der Schaltjahre des Zyklus, wieviel die Voreilung in der gegebenen Anzahl von Jahren seit dem 1. Tišri des Jahres 1 W. Ä. beträgt; addiert man diese Anzahl Tage, Stunden, eh. zum Moled des Jahres 1, ausgedrückt in Tagen usw., die vom 1. Jahre abgelaufen sind, so erhält man die Zeit des Moled im vorgelegten Jahre der W. Ä. und damit das julianische Datum. Die Anwendung dieser Regel bedarf aber wegen des Unterschiedes zwischen julianischen Schalt- und Gemeinjahren einiger Vorsicht, so daß sie sich mehr für den in chronologischen Rechnungen schon Be­wanderten eignet. Als ferneres Hilfsmittel zur Reduktion jüdischer Daten dienen besondere Tafeln, von denen in neuerer Zeit zahlreiche erschienen sind, sehr verschiedenen Wert besitzen und das Ziel mit


1) Handb. I 566.

[104 VIII. Kapitel. Zeitrechnung der Juden.]

mehr oder weniger Umständlichkeit erreichen lassen. Die wichtigsten dieser Tafeln werde ich weiter unten angeben. Für den Historiker ist es aber wichtig, daß er, falls die gebrauchten Tafeln vielleicht Fehler enthalten oder er keine brauchbaren Tafeln zur Hand hat, die Reduktion mit wenig Rechnung selbst ausführen kann. In dieser Beziehung kann immer noch die von Gauss erfundene Formel zur Berechnung des Tages des jüdischen Osterfestes empfohlen werden; man erhält mittels derselben das julianische Datum des 15. Nisan und durch Addition von 163 Tagen (da der 15. Nisan vom nächsten 1. Tišri in allen 6 Jahrgattungen um 163 Tage entfernt ist) den 1. Tišri des nächstfolgenden Jahres. Führt man die Rechnung gleich für 2 einander folgende Osterfeste aus, so erhält man auch die Dauer des vorge­legten Jahres der W. Ä. und kann dann ohne weiteres für das ganze jüdische Jahr einen julianischen Parallelkalender her­stellen, in welchem sich jedes Datum mit dem entsprechenden jüdischen vergleichen läßt.

Die Gausssche Formel1 lautet folgendermaßen: Sei H das gegebene Jahr der W. Ä., so bilde man das entsprechende julianische Jahr B = H − 3760; ferner dividiere man 12 B + 12 oder (was auf das­selbe hinauskommt) 12 H + 17 durch 19 und nenne den Rest a, ferner B oder H durch 4 und heiße den Rest b. Dann berechne den Betrag der Formel

32,0440932 + 1,5542418a + 0,25b − 0,003177794 H., oder
20,0955877 + 1,5542418a + 0,25b − 0,003177794 B.

Das Ergebnis setze = M + m, wo M die Ganzen, m den Dezimalbruch bedeuten; ferner dividiere M + 3H + 5b + 5 oder M + 3B + 5b + 1 durch 7 und nenne den Rest c. Dann hat man folgende 4 Fälle:

1) Ist c = 2 oder 4 oder 6, so findet Ostern (15, Nisan) am M + 1. März alten Stils statt, wofür man den M − 30. April schreibt, wenn M > 30 wegen Adu.

2) Ist c = 1, zugleich a > b und außerdem m ≧ 0,63287037, so fällt Ostern den M + 2. März a. St. wegen Gatrad.

3) Ist c = 0, zugleich a > 11 und auch m ≧ 0,89772376, so fällt Ostern den M + 1. März a. St. wegen Betutakpat.

4) In allen anderen Fällen ist Ostern am Mten März a. St.


1) Berechnung des jüdischen Osterfestes (Zachs Monatl. Korresp. V, 1802, S. 435; Gauss, Gesammelte Werke VI, 1874, S. 80). Gauss hat die Formel ohne Beweis angegeben. Den Beweis findet man bei Casa Gresy (Corresp. astr. du B. de Zach I, 1818, p. 556); W. Knobloch, Die wichtigsten Kalender der Gegenwart, Wien 1885; Burnaby, Elements, S. 219 — 239; J. Bach, Die Zeit- u. Festrechn. d. Juden, Freiburg i. Br. 1908, S. 17; am besten bei M. Hamburger (Crelles Journ. f. Mathem., Bd. 116, 1896, S. 90).

[§157. Reduktion jüdischer Daten. Tafeln. 105]

Das Jahr H ist ein Gemeinjahr, wenn a < 12, dagegen ein Schaltjahr wenn a > 11. Bei der Anwendung der Formel braucht man nur 2 oder 3 Dezimalstellen zu berück­sichtigen. — Es sei z. B. ein jüdischer Kalender für das Jahr 5670 W. Ä. mit den parallelen Datierungen des gregorianischen Kalenders herzustellen. Man hat dann die beiden gregorianischen Daten des 15. Nisan 5669 und 5670 zu bestimmen:



H=5669

5670

12H + 17=68045

68057


a=6

18


b=1

2




32,044

32,044
+1,5542a =+9,325
+27,976
+0,25b =+0,25 
+0,50 
0,0031778H =18,015
18,018

M + m =
23,604

42,502

M + 3H + 5b + 5 =17040
17067

m =0,604
0,502

c =2
1

für H = 5669 gilt also der Fall 1), für H = 5670 der Fall 4), und wir haben für den 15. Nisan = 1909 n. Chr. 24. März jul. = 6. April greg., resp. 1910 n. Chr. 11. April jul. = 24. April greg. Hierzu 163 Tage, um auf das Datum des 1. Tišri zu kommen, gibt

1. Tišri 5670 = 1909, am 16. September
1.  „  5671 = 1910, am 4. Oktober.

Das Jahr 5670 W. Ä. ist daher ein mangelhaftes Schaltjahr von 383 Tagen. Der Parallelkalender stellt sich für ein solches Jahr mit Hilfe der Monatslängentafel (S. 86) wie folgt:

5670,1. Tišri= 1909, 16.Sept.1. Nisan =10.April
,,1. March.= 16.Okt.1. Ijar =10.Mai
,,1. Kisl.= 14.Nov.1. Siwan =8.Juni
,,1. Tebeṭ= 13.Dez.1. Tammuz =8.Juli
,,1. Šebaṭ= 1910, 11.Jan.1. Ab =6.Aug.
,,1. Adar= 10.Febr.1. Elul =5.Sept.
,,1. We-Adar= 12.März 5671,1. Tišri =4.Oktob.

Der 1. Tišri in der jetzigen Zeitrechnung der Juden liegt gegenwärtig etwa zwischen dem 5. September und 5. Oktober gregor.

Der Gaussschen Formel nachgebildet worden sind auch An­weisungen, um das christliche Datum des 1. Tišri eines gegebenen Jahres der W. Ä. direkt berechnen zu können; solche Formeln haben A. Z. Slonimsky, Philipovski, M. Simon angegeben. Man kann mittels derselben auch die Länge und den Anfangswochentag festsetzen. Nach

[106 VIII. Kapitel. Zeitrechnung der Juden.]

mehrfachem Auflösen von Beispielen nach diesen Formeln habe ich jedoch in diesen Anweisungen keine Vorteile gegen die Gausssche Rechnung finden können und begnüge mich daher, Interessenten auf die betreffenden Arbeiten (s. unten § 159) hinzuweisen. — Der Gaussschen Methode kann man sich, wie man sieht, auch bedienen, um aus gegebenen christlichen Daten die entsprechenden jüdischen zu finden. Was nun die Tafeln anbelangt, welche die den jüdischen Datierungen ent­sprechenden christlichen Daten entweder ohne weiteres oder mit möglichst geringem Aufwand von Rechnung liefern wollen, so ist es erst in neuerer Zeit einigen Autoren gelungen, in bezug auf die verwickelte jüdische Zeitrechnung hin­reichend bequeme Hilfs­mittel zu schaffen. Die älteren Versuche dieser Art sind entweder noch zu umständlich im Gebrauche oder reichen nur für kurze Zeit­räume aus. Ich kann daher diese Werke hier summarisch behandeln und verweise betreffs der Titel derselben auf den Literaturanhang zu gegenwärtigem Kapitel. Die Tafeln von Meier Kornick (1825), sonst beachtenswert, enthalten ziemlich viele Fehler; eine Anzahl derselben hat Loeb (in seinen Tafeln, Introd. S. 3 Anm. 5) notiert, eine weit größere Brann in seinem „Jahrbuch zur Belehrung und Unterhaltung“ 37. Jahrg. (1890) S. 65, 38. Jahrg. (1891) S. 107. Die Kalender von Lindo (1838) und Montel (1848) geben die Daten nur für 64 Jahre, resp. 70 Jahre; die beiden Werke von Berl Goldberg geben die Daten genähert. Die immerwährenden Kalender von Wunderbar (1854), J. Engel (1868), Luzzatto (1849) geben kleinere Zeiträume, besonders die ersteren beiden; die Methoden, welche von René Martin und Bouchet dargestellt werden, sind schwerfällig. Gut konstruiert sind die immer­währenden Kalender, welche Nesselmann (1843) und A. Schwarz (1872) in ihren Abhandlungen darbieten, doch machen sie immerhin das Eingehen in 5—6 Tafeln bei der Rechnung notwendig.

Bei den neueren Tafeln wird dem Leser eine Anzeige darüber erwünscht sein, was er etwa in diesen Tafeln findet. Die Tafeln von Loeb (1886) geben den Moled der Zyklen, der Jahre und Monate, die Sonntagsbuchstaben der christlichen Jahre, die Tekuphot und die Hilfstafeln zur Verwandlung jüdischer Daten in christliche von 4561—5760 W. Ä. (801—2000 n. Chr.). Die letztere Verwandlung kann nach drei Methoden vorgenommen werden, von denen die erste nur das Einsehen zweier Tafeln, die zweite und dritte etwas mehr Rechnung erfordert. Nach der ersten Methode hat man z. B. für den 1. Tišri 5668 W.Ä.:

AusTaf.XII: 5668, 1908, 2D (Bestimmer) 115 (Eingangszahl f. Taf. XIV).
XIV: Spalte „Tišri“ = 8. September     

Datum des gegeb. Tags 1.     
Demnach die Datierung = 1907, am 9. September.     
[§ 157. Reduktion jüdischer Daten. Tafeln. 107]

Aus Taf. VI 2 (Abteilung D), mit dem Bestimmer 2D der Wochentag des 1. Tišri = Montag. — Zuckermanns Tafeln (1893) reichen weiter als die Loebschen, von 4118—6000 W. Ä. (358—2240 n. Chr.) und enthalten auch für die Daten nach 1582 die entsprechende julianische Datierung. Die Tafeln liefern das christliche Datum des 1. jüdischen Monatstages während der gegebenen Jahre der W. Ä., den Moled eines Datums, den Wochentag eines christlichen oder jüdischen Datums, für ein nach Wochenabschnitten (Perikopen) oder nach Omer-Tagen bestimmtes jüdisches Datum den zugehörigen Monatstag, für das jüdische Datum das korrespondierende julianische (resp. gregoria­nische) und umgekehrt. Für das vorerwähnte Beispiel hat man bei Zuckermann:

AusTaf.I 5667 Kalender-Nummer 49
II mit 49, sub 1. Tišri findet man unmittelbar 9. September
VI mit dem Jahrescharakter (10) und Tišri den Wochentag des
1. Tišri 5668 W. Ä. = Montag.

E. Mahler, Chronol. Vergleichungstabellen (1889), liefert in noch weiteren Grenzen als die vorstehenden Tafeln, von 4001—6000 W. Ä. (241—2240 n. Chr.), und zwar direkt (ohne jede Nebenrechnung) für jeden 1. jüdischen Monatstag das christliche Datum samt zugehörigem Wochentag. — Burnaby gibt in seinen Elements (1901) das julianische und gregorianische Datum des 1. Tišri sowie den zugehörigen Wochen­tag für die Jahre 4371—6764 W. Ä. (611—3004 n. Chr.) und den Sonntags­buchstaben der christlichen Jahre; ferner den Wochentag und das christliche Datum des 15. Nisan, außerdem die Längen der jüdischen Jahre und die Moled des 1. Jahres jedes Zyklus. — Der 1200jährige Parallelkalender von M. Simon (1895) ist für die Zeit 4561—5757 W. Ä., (801—1997 n. Chr.) bestimmt, gibt das christliche Datum des 1, Tišri und eine Umrechnungstabelle, mittels welcher man fast ohne Rechnung jedes jüdische Datum in das entsprechende christ­liche verwandeln kann. Der Maphteach desselben Verfassers (in Ver­bindung mit L. Cohen, 1897) hat noch etwas weitere Zeitgrenzen (4105—5760 W. Ä.). Aus der ersten Tafel erhält man das christliche Datum des 1. Tišri und eine Nummer, mittels welcher man in einer zweiten Tafel für jeden 1. Tag der 12 (13) jüdischen Monate das korrespondierende christliche Datum findet; letztere Tafel gestattet auch den Wochentag eines Datums zu bestimmen. (Ein anderes Ver­fahren hat dieser Verfasser in den Grundzügen, 1891, auseinander­gesetzt) — Jos. Bach (1908) gibt Tafeln für die Zeit 4260—6759 W. Ä. (500—2999 n. Chr.) und kommt betreffs der Verwandlung eines ge­gebenen jüdischen Datums in ein christliches, und umgekehrt, mit zwei Tafeln aus, was hervorzuheben ist. Die eine Tafel liefert das Oster-

[108 VIII. Kapitel. Zeitrechnung der Juden.]

datum des betreffenden Jahres, der Eingang mit diesem in die zweite Tafel das christliche Datum des 1. jedes jüdischen Monats. Den Wochentag des jüdischen Datums erhält man aus der zweiten Tafel, oder schneller mittels einer Hilfstafel. — Zur Gattung der „immer­währenden“ jüdischen Kalender gehören die Tafeln, die Ad. Richter in seinem Kalender für Riga Jahrg. 1908 und 1909 veröffentlicht hat und die sich durch eine von den sonstigen immerwährenden Kalendern nicht erreichte Kürze des Rechnungsverfahrens auszeichnen. Ein neues Tafelwerk desselben Verfassers war zur Zeit, da das vorliegende Buch zum Druck kam, noch in Vorbe­reitung. — Schließlich müssen noch die neuen Kalendario­graphischen und chronolo­gischen Tafeln von R. Schram (Leipzig 1908) hier erwähnt werden, die infolge Um­arbeitung an die Stelle der alten „Hilfstafeln für Chronologie“ (1883) getreten sind und die ich schon im I. Bande des vorliegenden Werks zum Teil bei mehreren anderen Zeitrechnungen benützt habe. Die neuen Tafeln geben in der Abteilung „Jüdischer Kalender“ den julianischen Tag jedes Anfangstages aller jüdischen Monate von Jahr zu Jahr von 3946—6149 W. Ä. (186 v. Chr. bis 2389 n. Chr.). Die Abteilung „Julianisch-Gregorianischer Kalender“ erlaubt die fast unmittelbare Ablesung des entsprechenden christlichen Datums. Es werde gefragt: Auf welche Tage des greg. Kal. fällt der 7. Šebaṭ 5671 und der 8. Tammuz 5674 W. Ä.? Man hat sub Tafel 5600 + 1 sofort:

7. Šebaṭ5671 = 2419073Julian.Tag
8. Tammuz5674 = 2420316

und aus der Tafel „Gregor. Kal.“ (S. 81) die entsprechenden Daten

julian.Tag2419073 = 2419068+ 5 = 1911n.Chr.5. Februar
2420316 = 2420314+ 2 = 19142. Juli

Selbstverständlich findet man ebenso leicht für ein gegebenes christ­liches Datum das zugehörige jüdische. Die Tafeln haben aber außer­dem den großen Vorteil gegenüber denjenigen anderer Autoren, daß auf ebenso leichte Weise auch die Umwandlung eines jüdischen Datums in die Datierung aller anderen Zeit­rechnungen möglich wird, deren chronologische Grundlagen als sicher gelten.

Diese Mitteilungen über neuere Tafeln werden genügen. Der Leser ersieht aus denselben, daß die Bestimmung des christlichen Datums einer jüdischen Datierung oder die Lösung des umgekehrten Falles durch mehrere der neueren Tafeln mit Bequemlichkeit möglich ist und daß es einer Rechnung nach den Formeln nur mehr in Aus­nahmefällen bedarf.

Startseite Band II Inhalt Voriger § Anfang Nächster § Register Datenschutz/Impressum