Wie im historischen Teil bemerkt wurde, mußte die Länge der Monate so lange eine unbestimmte bleiben, wie als Beginn der Monate das Erscheinen der neuen Mondsichel angenommen wurde, weil dieses Erscheinen von der jeweiligen Lage der Ekliptik gegen den Horizont abhängt und da außerdem die Monatslänge infolge der unregelmäßigen Bewegung des Mondes schwankt. In dem festen Kalender knüpfte man daher die Berechnung des Moled (מולד Geburt, Zeit der Konjunktion) an die mittlere Länge des synodischen Monats. Diese Länge ist, übereinstimmend mit den Babyloniern und , wie schon bemerkt wurde, 29d 12h 44m 3s oder nach jüdischem Zeitmaß 29'^ 12h 793ch1. Der Zyklus von 19 Sonnenjahren, welcher
1) Die Elemente, welche der jetzigen jüdischen Zeitrechnung zugrunde liegen, findet man bei Chronol. of anc. nations) und (Kidd. hachod. Kap. VI— VIII).
(235 synodischen Mondmonaten gleichkommt (I 65), hat daher eine Länge von 6939d 16h 595ch. Dividiert man letztere Zahl, um Wochen zu erhalten, durch 7, so ergeben sich 991 Wochen und ein Rest von 2d 16h 595ch; letzterer Überschuß zeigt an, um wieviel Tage, Stunden und Chalakim der erste Moled des 19jährigen Zyklus später anfängt, als der Moled des vorhergehenden, und heißt deshalb der Charakter des Zyklus. — Das Gemeinjahr des jüdischen Kalenders enthält mit seinen 12 Monaten danach 354d 8h 876ch, das Schaltjahr 383d 21h 589ch. Die Verwandlung dieser Beträge in Wochen gibt wieder Reste, beim Gemeinjahr 4d 8h 876ch, beim Schaltjahr 5d 21h 589ch; diese Überschüsse bezeichnet man als Charakter des Gemeinjahrs und des Schaltjahrs. Addiert man diese Beträge zum gegebenen Moled Tišri eines Jahres, so erhält man den Moled Tišri des folgendes Jahres. — Ebenso resultiert der Charakter des Monats 1d 12h 793ch, wenn man die Länge des Monats in Wochen verwandelt. Gesammelt, und wie es bisweilen geschieht, in den Zahlen durch hebräische Buchstaben ausgedrückt, repräsentieren sich also die Charakter folgenderweise:
der | Charakter | des Monats | = 1d | 12h | 793ch | = א’יב’ תשצ’ג (Ajab tašsag) | |
der | „ | des | Gemeinjahrs | = 4d | 8h | 876ch | = ד’ח’ תתע’ו (Dach tatu) |
der | „ | „ | Schaltjahrs | = 5d | 21h | 589ch | = ה’כא’ תקפ’ט (Hecha takpaṭ) |
der | „ | „ | Zyklus | = 6d | 16h | 595ch | = ב’ע’ תקצ’ה (B'ju taksah) |
Zur Berechnung der Zeit eines Moled ist noch der Ausgangspunkt der Rechnung erforderlich. Diesen Ausgangspunkt bildet der Moled Tišri, „der Moled der Schöpfung“, nämlich des ersten Jahres der W. Ä. 3761 v. Chr.; er wird auf den Tag 2d 5h 204ch gesetzt, d. h. auf einen Montag abends 11h 11 1⁄3m (s. oben S. 80); durch Buchstaben nach Zahlenwerten ausgedrückt, heißt der Moled auch Moled B'harad1. Um den Wochentag und die Tageszeit irgend eines Moled für einen Monat zu finden, wird man die Anzahl der seit dem Moled B'harad abgelaufenen Zyklen, Gemein- und Schaltjahre und eventuell die vom Tišri ab verflossenen Monate zu berücksichtigen haben. Die Zahl der abgelaufenen Zyklen erhält man durch Division des gegebenen Jahres der W. Ä. mit 19; der Quotient Q gibt die Zyklen, der übrig bleibende Rest sei R. Die Zahl R−1 ist die Anzahl der bereits abgelaufenen Jahre und besteht aus den Gemeinjahren und Schaltjahren G + S;
1) Der Moled heißt auch Moled Tohu. — Bei einigen jüdischen Chronologen finden sich andere Epochen des Moled Bharad. Manche nehmen dabei die Ära Adam (s. diese oben S. 74) und beginnen mit Neumond Tišri Freitag 8h morgens Ä. Adam 1; andere gehen vom 2. Jahre Ä. Adam aus (Ä. Adam 1 = 0 setzend) und akzeptieren Dienstag Nachmittag 4h 48m 40s als Epoche.
die Zahl der seit Tišri abgelaufenen Monate sei M, so hat man die Größen Q, G, S und M mit den obigen Charaktern des Zyklus, der Gemein- und Schaltjahre und des Monats zu multiplizieren, und hierzu den Moled B'harad zu addieren, so daß das Resultat durch die Formel
2d 5h 204ch + (2d 16h 595ch) Q + (4d 8h 876ch) G + (5d 21h 589ch) S + (1d 12h 793ch) M
dargestellt wird. Aus dem Resultate läßt man die ganzen Wochen weg. Gewöhnlich wird nur der Moled des Jahresanfangs d. h. der Moled Tišri verlangt; das letzte mit M multiplizierte Glied ist dann überflüssig. Es seien z. B. die beiden Moled Tišri zu suchen für die Jahre 5669 und 5821 W. Ä. Für den ersten Fall hat man Q = 298, R−1 = 6 Jahre, wovon G = 4 (Gemeinjahre), S = 2 (Schaltjahre) sind; im zweiten Falle ist Q = 306, R−1 = 6, also ebenfalls G = 4, S = 2. Die Rechnung stellt sich dann wie folgt:
5669 W. Ä. | 5821 W. Ä. | ||||||||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
298 | (2d | 16h | 595ch) | = | (3d | 12h | 190ch) | 306 | (2d | 16h | 595ch) | = | (4d | 0h | 630ch) |
4 | (4 | 8 | 876 ) | = | (3 | 11 | 264 ) | 4 | (4 | 8 | 876 ) | = | (3 | 11 | 264 ) |
2 | (5 | 21 | 589 ) | = | (4 | 19 | 98 ) | 2 | (5 | 21 | 589 ) | = | (4 | 19 | 98 ) |
(4 | 18 | 552 ) | (5 | 6 | 992 ) | ||||||||||
Mol. B'harad | = | (2 | 5 | 204 ) | Mol. B'harad | = | (2 | 5 | 204 ) | ||||||
(6d | 23h | 756ch) | (7d | 12h | 116ch) |
Im ersten Beispiele ist der Tag 6d = Freitag, welcher aber bereits am Donnerstag der Christen abends 6h anfängt; demnach ist die Zeit 23h 756ch = 17h 42m, und der Moled Tišri fällt Freitag nachmittag 5h 42m. Im zweiten Falle ist Moled Tišri Sonnabend morgens 6h 6 4⁄9m. Würde nicht der Moled Tišri gefordert, sondern der eines andern Monats, z. B. des 1. Tebeṭ, so hätte man das letzte Glied obiger Gleichung für M = 3, die abgelaufenen Monate Tišri, Marchešwan, Kislev, noch zu berücksichtigen, also noch 3 (1d 12h 793ch) = 4d 14h 219ch zu addieren. Die Rechnung nach der obigen Formel ist unbequem und kann durch zweckmäßig eingerichtete Hilfstafeln umgangen werden. Zu empfehlen ist umstehende Tafel von . Man sucht zuerst mit der Jahreszahl A, welche die nächst kleinere gegen die gegebene Jahreszahl der W. Ä. ist, den entsprechenden Moled B und notiert diesen. Von dem übrig bleibenden Reste beider Jahreszahlen subtrahiert man die gegen ihn nächst kleinere Zahl C der Tafel und schreibt den daneben stehenden Moled D unter den ersten. Mit dem neuen Reste E entnimmt man den Moled F und setzt diesen unter die beiden vorher notierten; die Summe der Moled
A | B | C | D | ||||
---|---|---|---|---|---|---|---|
0 | 2d | 5h | 204ch | 0 | 0d | 0h | 0ch |
247 | 2 | 4 | 379 | 19 | 2 | 16 | 595 |
494 | 2 | 3 | 554 | 38 | 5 | 9 | 110 |
741 | 2 | 2 | 729 | 57 | 1 | 1 | 705 |
988 | 2 | 1 | 904 | 76 | 3 | 18 | 220 |
1235 | 2 | 0 | 1079 | 95 | 6 | 10 | 815 |
1482 | 2 | 0 | 174 | 114 | 2 | 3 | 330 |
1729 | 1 | 23 | 349 | 133 | 4 | 19 | 925 |
1976 | 1 | 22 | 524 | 152 | 7 | 12 | 440 |
2223 | 1 | 21 | 699 | 171 | 3 | 4 | 1035 |
2470 | 1 | 20 | 874 | 190 | 5 | 21 | 550 |
2717 | 1 | 19 | 1049 | 209 | 1 | 14 | 65 |
2964 | 1 | 19 | 144 | 228 | 4 | 6 | 660 |
3211 | 1 | 18 | 319 | ||||
3458 | 1 | 17 | 494 | ||||
3705 | 1 | 16 | 669 | E | F | ||
3952 | 1 | 15 | 844 | ||||
4199 | 1 | 14 | 1019 | 1 | 0 | ||
4446 | 1 | 14 | 114 | 2 | 4d | 8h | 876ch |
4693 | 1 | 13 | 289 | 3 | 1 | 17 | 672 |
4940 | 1 | 12 | 464 | 4 | 7 | 15 | 181 |
5187 | 1 | 11 | 639 | 5 | 4 | 23 | 1057 |
5434 | 1 | 10 | 814 | 6 | 2 | 8 | 853 |
5681 | 1 | 9 | 989 | 7 | 1 | 6 | 362 |
5928 | 1 | 9 | 84 | 8 | 5 | 15 | 158 |
6175 | 1 | 8 | 259 | 9 | 4 | 12 | 747 |
6422 | 1 | 7 | 434 | 10 | 1 | 21 | 543 |
6669 | 1 | 6 | 609 | 11 | 6 | 6 | 339 |
6916 | 1 | 5 | 784 | 12 | 5 | 3 | 928 |
7163 | 1 | 4 | 959 | 13 | 2 | 12 | 724 |
7410 | 1 | 4 | 54 | 14 | 6 | 21 | 520 |
15 | 5 | 19 | 29 | ||||
16 | 3 | 3 | 905 | ||||
17 | 7 | 12 | 701 | ||||
18 | 6 | 10 | 210 | ||||
19 | 3 | 19 | 6 |
B + D + F gibt den verlangten Moled. Zu den beiden vorigen Beispielen hat man:
W. Ä. | 5669 | W. Ä. | 5821 | ||||||||
A = | 5434 | B = | 1d | 10h | 814ch | A = | 5681 | B = | 1d | 9h | 989ch |
235 | 140 | ||||||||||
C = | 228 | D = | 4 | 6 | 660 | C = | 133 | D = | 4 | 19 | 925 |
E = | 7 | F = | 1 | 6 | 362 | E = | 7 | F = | 1 | 6 | 362 |
6d | 23h | 756ch | 7d | 12h | 116ch |
Mehrere der neueren Tafeln, welche verschiedene Aufgaben über die jüdische Zeitrechnung lösen, lassen den Moled innerhalb sehr weiter Zeitgrenzen auf weit kürzere Art finden. Die Tafeln von
(s. § 157) geben in Taf. I den Moled Tišri für die Anfangsjahre aller Zyklen von 4118—5986 W. Ä., sowie die Moledüberschüsse von Jahr zu Jahr und von Monat zu Monat in Taf. III. Man hat also nur zum Moled eines Anfangsjahres den Überschuß des Jahrs (ev. Monats) zu addieren. gibt in seinem Werke den Moled Tišri der Zyklen von 1—10014 W. Ä. (Taf. IX) sowie in Taf. VI. VII die Überschüsse. gibt in seinen Tafeln den Moled der Zyklen von 4561 — 6746 W. Ä. (Taf. XII. XIII). Für das zweite der obigen beiden Beispiele hat man z. B. mit den Zahlen bei folgende kurze Rechnung:
W. Ä 5821 | |||
W. Ä. 5815 Moled = | 6d | 5h | 834ch |
6 Jahre = | 1 | 6 | 362 |
7d | 12h | 116ch |
Ferner mache ich aufmerksam auf die in § 157 erwähnten Tafeln von , welche für ein gegebenes Jahr den Moled ebenfalls leicht finden lassen.
Der Moled Tišri, dessen Wochentag und Tageszeit man mit diesen Hilfsmitteln erhält, sollte, da mit 1. Tišri das neue Jahr beginnt, zugleich das Neujahr (ראש האנה roš hašanah) anzeigen. Allein es kommt infolge gewisser Ausnahmefälle vor, daß roš hašanah nicht mit dem Tag des Moled übereinstimmen darf, sondern verlegt wird. Diese Ausnahmefälle (Dechijoth) sind:
1. Der Neujahrstag wird, wenn der- Moled Tišri um 18h jüdischer Zeit (d. h. 12h mittags) oder später eintritt, auf den nächsten Tag verlegt. Diese Dechijah heißt Moled יח Jach oder Moled saken, weil die bestimmende Zahl 18h sich aus den zwei Zahlen 10 + 8 zusammensetzt, welche den Buchstaben י und ח entsprechen. Der Grund dieses Vertagungsfalls rührt davon her, daß man den Monatsbeginn mit dem Sichtbarwerden der Neumondsichel nicht ganz aufgeben will. Tritt der berechnete Moled Tišri zu einer Zeit ein, daß man voraussehen kann, die neue Sichel werde am Ende dieses Tages (abends 6h) noch nicht gesehen werden können, so verlegt man den Neujahrstag; als Grenze für die Eintrittszeit des Moled gilt der Mittag (18h jüd. Zeit).
2. Das jüdische Neujahr darf am Sonntag, Mittwoch und Freitag nicht beginnen; fällt der Moled Tišri auf einen dieser Tage, so wird Neujahr auf den nächsten Tag verlegt. Diese Dechijah heißt Moled אדו Adu, von den Buchstaben, welche den Tagen Sonntag, Mittwoch und Freitag zukommen (s. oben S. 85). Die Gründe für diese Vertagung sind im Talmud angegeben1.
1) Der Hauptgrund soll sein, daß jede Arbeit an den Sabbaten und Festtagen untersagt ist, also auch das Bereiten der Speisen; diese letzteren würden am Tage [Fortsetzung der Fußnote]
3. Wenn Moled Tišri auf Dienstag, Donnerstag, Sonnabend um oder nach Mittag fällt, verschiebt sich roš hašanah um zwei Tage, d. h. auf Donnerstag, Sonnabend, Montag. Dieser Vertagungsfall ist die Kombination der beiden vorhergehenden Fälle und heißt deshalb Jach-Adu. Denn fällt z. B. der Moled auf Dienstag nachmittag, so muß der Neujahrstag wegen Jach auf Mittwoch gelegt werden; da er aber wegen Adu nicht auf Mittwoch fallen darf, verschiebt man ihn auf Donnerstag, d. h. um 2 Tage.
4. Wenn in einem Gemeinjahr, welches auf ein Gemeinjahr folgt, der Moled Tišri auf Dienstag um oder nach 9h 204ch (d. h. 3h 11 1⁄3m morgens) trifft, so wird Neujahr auf den Donnerstag verlegt. Dieser Vertagungsfall führt die Bezeichnung גטר’ד Gatrad, von den Zahlen: ג = 3 (nämlich 3. Wochentag), ט = 9 (9h), 200 + 4 = רד. Denn in diesem Falle würde man, wenn vom Datum 3d 9h 204ch mit dem Charakter des Gemeinjahrs 4d 8h 876ch zum folgenden Gemeinjahr weiter gerechnet wird, auf 7d 18h d. h. auf Sonnabend mittag gelangen; Neujahr müßte dann nach der Regel Jach-Adu erst Montag anfangen und das Jahr würde die unstatthafte Länge von 356 Tagen bekommen.
5. Folgt das Gemeinjahr auf ein Schaltjahr und trifft in ersterem Moled Tišri auf einen Montag um 15h 589ch (Vormittag 9h 32 13⁄18m), so wird der Neujahrstag des Gemeinjahrs auf Dienstag verlegt. Dieser Fall heißt wegen 2d 15h 589ch ב (2), טו (15 = 9 + 6), הק (500 = 400 + 100), פט (80 + 9) Betutakpat. Subtrahieren wir vom Datum 2d 15h 589ch den Charakter des vorhergegangenen Schaltjahrs 5d 21h 589ch, so kommen wir auf 3d 18h d. h. Dienstag mittag; wegen Jach-Adu muß der Neujahrstag auf Donnerstag verlegt werden. Dann hätte das Schaltjahr, wenn das Gemeinjahr mit Montag anfinge, eine Länge von 382 Tagen. Da eine solche Länge unstatthaft ist und das Schaltjahr wenigstens 383 Tage haben muß, so wird Neujahr um einen Tag, auf Dienstag verlegt. Zwischen dem Moled Jach und Betutakpat ist nur eine Differenz von 2h 491ch; wegen dieser engen Grenze, in welche der Moled Tišri fallen soll, und wegen der Bedingung, daß ein Schaltjahr vorausgehen soll, tritt der Fall Betutakpat sehr selten ein. Zuletzt trat diese Vertagung im Jahre 5519 W. Ä. (1758 n. Chr.) ein und wird erst wieder 5688 (1927 n. Chr.) vorkommen.
[Anfang der Fußnote] vorher bereitet werden müssen. Diese Unbequemlichkeit wird noch größer, wenn auf den Sabbat unmittelbar ein Festtag folgt oder ihm vorangeht, man läßt also das Neujahr nicht auf Sonntag oder Freitag fallen. Das Versöhnungsfest (10 Tišri) soll ebenfalls auf keinen Sonntag oder Freitag treffen, deshalb darf auch Neujahr nicht auf Mittwoch und Freitag gelegt werden. Die Tage Sonntag, Mittwoch, Freitag bilden daher Ausnahmetage.